Gedanken zum Ersten Weltkrieg

Vor genau 100 Jahren „brach der Erste Weltkrieg aus“. Diese Formulierung wird gerne benutzt, wohl um eine angeblich unvermeidbare Eigendynamik dieses Krieges zu dokumentieren. Das ist natürlich barer Unsinn, denn ein Krieg bricht nicht einfach so aus! Es sind immer Menschen, die eine Mobilmachung, eine Kriegserklärung, einen Angriff usw. befehlen.

„Krieg ist ein Zustand, bei dem Menschen aufeinander schießen, die sich nicht kennen, auf Befehl von Menschen, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“  (George Bernard Shaw)

Großvater Heinrich Heidtmann wurde 1916 bei Verdun verwundet und hatte für den Rest seines Lebens einen steifen Arm. Vater Alfred Heidtmann kam körperlich weitestgehend unverletzt aber für den Rest des Lebens durch ein nicht abgeschlossenes Studium beruflich zurückgeworfen nach vier Jahren Krieg und drei Jahren Kriegsgefangenschaft wieder nach Hause. Über die seelischen Schäden wollen wir hier nicht spekulieren. Cui bono? Wem hat das gedient? „Dem deutschen Volke“? Gewiss nicht!

Fast wollen einem die 100 Jahre seit Beginn des Ersten Weltkrieges viel zu kurz erscheinen. Und man mag kaum glauben, dass bereits 21 Jahre nach diesem verheerenden Krieg mit Millionen Toten der noch verheerendere Zweite Weltkrieg „ausbrach“. Heute lobt man – zurecht – allerorten den Frieden, zumindest in Europa, übersieht dabei aber geflissentlich, dass die Bundeswehr seit 1990 zu „friedenserhaltenden“ und „friedenssichernden“ Maßnahmen , entgegen ihrem einst grundgesetzlichen definierten Auftrag für den Verteidigungsfall, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt wird. Hier nur einige Stationen: Kosovo, Afghanistan, Somalia,  Südsudan, Mali.

Der Krieg in Afghanistan dauert jetzt schon 13 Jahre und damit länger als beide Weltkriege zusammen. Schon die Begründung, die Hintermänner des 11. September kämen aus Afghanistan wart falsch: 16 der 20 Täter waren Saudis – und Washington wusste dass die Verbindungen der Terroristen zum Saudi Arabien enger waren, als  bekannt ist.

Die neue Verteidigungsministerin möchte diese Einsätze ausweiten, weil die Staatengemeinschaft das angeblich von Deutschland erwarte. „Es wird zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen“, behauptet auch Außenminister Steinmeier. Deutschland sei „zu groß, um die Weltpolitik nur zu kommentieren“. Es gehe um eine „tätige Außenpolitik“ – und die sieht offenbar so aus: Mit Waffen Fakten schaffen. Wir können also gar nicht anders: Da haben wir sie wieder, die unvermeidbare Eigendynamik von 1914 und 1939 – als angeblich auch nur „zurückgeschossen“ wurde. Und auch heute werden gerne Nebelkerzen geworfen:

„Bei allen militärischen Interventionen der letzten Jahre wurde getrickst, geschönt, übertrieben und gelogen. Im Kosovo etwa redete man von einem Vernichtungsplan der Serben gegen die Albaner, den es nachweislich nicht gab, in Afghanistan hielt man selbst dann noch an der Durchsetzung des Rechtsstaates und der Demokratie fest, als auch der letzte Regierungsbeamte begriffen hatte, dass das Unternehmen gescheitert war. Ob Schröder/Fischer, Merkel/Westerwelle oder Merkel/Steinmeier – keine deutsche Regierung war bei Interventionsfragen offen und ehrlich zu den eigenen Bürgern.“ (DIE ZEIT, 23.01.20143: Seite 1)

Jetzt setzt sich auch noch Bundespräsident Gauck anlässlich der Münchener Sicherheitskonferenz an die Spitze der Bewegung und kreiert den Begriff der „Schutzverantwortung“ – für den Fall, dass ein militärisches Eingreifen der internationalen Gemeinschaft legitim sein kann. Wen erinnert das nicht an ähnliche Begriffe aus jener unseligsten Zeit deutscher Geschichte?

Über den rhetorischen Umweg der Argumentation „Gleichgültigkeit ist niemals eine Option“ (von der Leyen) setzt man – per ceteris paribus Argumentation – Neutralität mit Gleichgültigkeit gleich und schließt damit implizit aus, dass Deutschland – trotz seiner beiden Angriffskriege – eine neutrale Rolle spielen könne. Man fragt sich, wie sich Staaten wie die Schweiz oder Schweden das offenbar sehr wohl „leisten“ wollen und können?

Worum geht es eigentlich? Gaucks Rede beantwortet dies: Die Bundesrepublik sei so tief verwoben mit der Welt und profitiere „besonders von der offenen Ordnung der Welt“ (Stichwort „Exportweltmeister“). Zugleich sei sie dadurch aber anfällig für Störungen im System (Stichwort: „Freier Zugang zu den Märkten“). Die Folgen des Unterlassens könnten „ebenso gravierend wie die Folgen des Eingreifens sein – manchmal sogar gravierender“, warnte Gauck.

Etwa 4.900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beteiligen sich derzeit an Einsätzen im Ausland. 109 Soldaten sind bei den Auslandseinsätzen bisher ums Leben gekommen. Die Zahl der zivilen Opfer („Kollateralschaden„) wird mit etwa 3000 angegeben. Allein der unselige Angriffsbefehl des Oberst Klein in Kunduz kostete 142 Menschen das Leben. Oberst Klein wurde nach diversen Untersuchungsausschüssen dafür nicht disziplinarisch bestraft, sondern später zum Brigadegeneral befördert. Si vis pacem para bellum? Ja, alles deutet darauf hin.  Den Soldaten folgten historisch immer schon die Handelsschiffe. Es sage aber später keiner, er habe das alles nicht gewusst.

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Eine Antwort zu Gedanken zum Ersten Weltkrieg

  1. Hans-Werner Kleindiek sagt:

    moin, moin lieber Herr Heidtmann,

    ja, mit dem Beitrag zum 1. Weltkrieg haben Sie natürlich einen Bericht geschrieben der zu unterschiedlichen Diskussionen führt.

    Natürlich ist es unbestritten, das jeder Krieg möglichst vermieden werden sollte. Er führt immer zu unendlichem Leid der größtenteils nicht betroffenen Bürger (auf jeder Seite).
    Wer eher als wir kann da ein Wörtchen mit reden. Wir haben ein kaum zu beschreibendes Leid und entsetzen in die Welt gebracht, und die eigene Bevölkerung durfte dann dieses Leid am eigenen Leib erfahren. Dabei habe ich das schreckliche Thema des Holocaust noch gar nicht angesprochen. Also bei dem Thema, so wie ich es hier schreibe, gibt es überhaupt keine Diskussion.

    Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir uns aus dem Geschehen in der Welt nicht gänzlich raushalten dürfen. Hat es jemals eine Zeit ohne kriegerische Auseinandersetzungen gegeben? Ich kann es mir wahrlich nicht vorstellen. Ich behaupte immer, dass der Herrgott den Menschen an seinem Ruhetag (Sonntag) geschaffen hat, und nicht so ganz bei der Sache war. Der Mensch ist ihm völlig misslungen und hat immer nur Ärger gemacht (aber das ist meine Sicht).
    Wir müssen erkennen, dass wir sicher an einigen Auseinandersetzungen auf dieser Welt mit schuldig sind. Sei es durch Ausbeutung, durch Im- oder Exporte, durch Waffenlieferungen usw..
    Selbst wenn wir diese Bereiche ausschließen können sind wir immer in der Pflicht denen zu helfen, die es schlechter haben als wir. Nach all‘ dem Leid, das wir in die Welt getragen haben, hat man uns hinterher nicht fallen gelassen. Ganz im Gegenteil, wir haben Unterstützung und vielschichtige Hilfen erfahren dürfen. Wir sind zu einer wirtschaftlichen Macht aufgestiegen mit all‘ ihren positiven und negativen Begleiterscheinungen. Wir tragen eine Mitverantwortung für alle Völker in der Welt. Wenn es irgendwo Hunger und Elend gibt, dann sind wir nicht gerade unschuldig.

    Wenn wir immer aufgefordert sind zu helfen, dann ist mir auch klar, dass das natürlich ein Drahtseilakt ist. Wir bewegen uns auf einem verdammt schmalen Grat, der sehr schnell entgleisen kann. Wenn wir helfen wollen, dann heißt es nicht unbedingt, dass das militärisch sein muss (kämpfen und Krieg führen), auch wenn wir das Militär einsetzen (z.B. als Transportmittel oder zur logistischen Unterstützung). Aber auch das birgt selbstverständlich ein gewisses Gefahrenpotential.
    Es gebe dazu noch sehr viel zu schreiben, und dennoch wird man dieses „heiße Thema“ kaum erfüllend ausschöpfen. Aber eines ist völlig klar, so wie sich die Welt seit einigen Jahren zeigt, sitzen wir alle ständig auf einem Pulverfass. Die heutigen militärischen Mittel erreichen locker jeden Punkt der Erde. Dabei muss man berücksichtigen, dass es größtenteils anonym abläuft; denn man sieht sich nicht mehr in die Augen und sieht die Anderen auch nicht jämmerlich krepieren.

    Ein sehr schweres Thema, das natürlich in diesem Jahr eine gewisse Aktualität gewinnt (wie auch einige andere Daten).
    Dennoch „Hut ab“, dass Sie das Thema aufgegriffen haben.

    Recht herzliche Grüße
    Hans-Werner Kleindiek

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