Totale Überwachung – auf Umwegen

Eigentlich sind mir der „große Lauschangriff“ und die neuerliche Enthüllung um die US-amerikanischen Überwachungssysteme gleichgültig. Doch als mir Freund B. vor einigen Tagen auf eine Frage der politischen Einschätzung in Ägypten plötzlich nicht mehr per E-Mail antworten wollte („Schon gar nicht auf diesem Wege – wer weiß, wer alles mitliest. Und Du weißt, dass ich gelegentlich ins Ausland reisen muss.“), da wurde ich doch etwas nachdenklich.

Wenn besonnene Bürger sich auf Grund aktuell der öffentlich gewordenen NSA-Überwachung jetzt nicht mehr trauen, in privaten E-Mails offen zu schreiben, was sie bewegt, dann ist das der Anfang vom Ende der – nicht nur der Presse – Freiheit. George Orwell lässt grüßen!

Dem renommierten Schriftsteller Ilija Trojanow ist dies soeben widerfahren: Er durfte nicht zu einem Germanisten-Kongress in die USA einreisen. Eine Begründung bekam er nicht. Vermuten kann er nur, dass ein offener Brief vom 25. Juli 2013 deutscher Schriftsteller an die Bundeskanzlerin, in dem auch er gegen die Überwachung durch den NSA protestiert, die Ursache ist. in dem es heißt:

„Es wächst der Eindruck, dass das Vorgehen der amerikanischen und britischen Behörden von der deutschen Regierung billigend in Kauf genommen wird. Deshalb fragen wir Sie: Ist es politisch gewollt, dass die NSA deutsche Bundesbürger in einer Weise überwacht, die den deutschen Behörden durch Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht verboten ist?“ 

Menschen, die sich für Bürgerrechte starkmachen, werden als Staatsfeinde behandelt, eine desaströse Entwicklung. Zu einem freien Land in einem immer wieder hoch gepriesenen und deshalb mit aller Macht exportierten Staatssystem namens „Demokratie“ gehört die Meinungsfreiheit unerlässlich immer mit zum Lieferumfang. Zur Erinnerung:

Grundgesetz, Artikel 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Denn es ist ein erheblicher Unterschied, ob eine verdächtige Person mit rechtkräftigem Beschluss überwacht wird, um (weitere) Straftaten zu vermeiden oder ganze Völker und Millionen von unbescholtenen Bürgern unter Generalverdacht gestellt, vorsorglich und ohne Rechtsgrundlage ausgespäht werden. Ist es das, was Minister Schäuble „eigentlich“ meinte, als er den „vorbeugenden Unterbindungsgewahrsam“ verabschiedete?

Hierzulande stellen alle Parteien den Kampf gegen den Terror über den Schutz der Daten. „Aber warum muss Friedrich dann eigentlich noch in die USA reisen? Weil die Regierung den Eindruck vermitteln möchte, sie setze sich für Freiheitsrechte ein. Das Ende der Scheinheiligkeit ist nicht in Sicht.“ (SZ 11. Juli 2012: 4)

Auch wer sich keine Illusionen über die – anscheinend nicht immer auf einer Rechtsgrundlage – agierenden deutschen Geheimdienste (Bundesnachrichtendienst,  Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) macht, dem wird der Gedanke an den „Staatssicherheitsdienst (Stasi)“ der ehemaligen DDR (vulgo: „Horch und Guck“) nicht behagen.

Doch über den Umweg der NSA kann man offenbar seine Bürger dennoch ausspähen, ohne geltendes Gesetz zu brechen.

Und so wird aus der ganzen Sache ein Schuh!

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