Heute ist mein alter Nachbar, Eberhard Schwarmann, in meinem Heimatort Sagehorn nach kurzer Krankheit gestorben.
Vor wenigen Wochen noch habe ich in seiner Küche gesessen und wir haben vereinbart, dass er mir ausführlich die Zusammenhänge der Familie Schwarmann erklärt. Immerhin habe ich aus unserem Gespräch einiges in Erinnerung behalten und hier bereits darüber berichtet.
Gerne hätte ich noch seine Erinnerungen auf meinem neuen Aufzeichnungsgerät aufgenommen. Zu spät! Denn als ich ihn neulich wegen eines Termins anrief, sagte seine Enkelin mir am Telefon, er sei gerade ins Auto gestiegen, um ins Krankenhaus gefahren zu werden, weil er so einen Druck auf dem Herzen habe.
Dabei war Eberhard mit seinen 78 Jahren noch überaus aktiv und rege. Ständig hat er gebastelt, gedrechselt, Holz gesägt, den Garten bearbeitet usw. Kein Mann, der die Hände in den Schoß legte und aus dem Fenster schaute. Ständig war er draußen „zugange“ – wie man bei uns sagt. Ganz selbstverständlich hat er meine Mülltonne jeden zweiten Donnerstag mit an die Straße gestellt, damit ich nicht erst 60 km dafür fahren musste.
Montags war bei Eberhard in den vergangenen Jahren immer Treffen des Freundkreises. Im Sommer hat man draußen in seiner Laube gesessen und Kaffee getrunken. Winters saß man drinnen, dann hat Eberhard für die ganze Gesellschaft gekocht. Denn Eberhard hat lange mit seiner bereits vor einigen Jahren verstorbenen Frau Hertha eine Gaststätte in Embsen betrieben. Da hat er das Kochen für große Gruppen gelernt. Viele Jahre war er dadurch das soziale Zentrum des Dorfes.
Eberhard hat mir erzählt, dass er als gelernter Bauschlosser einst das Brückengeländer und das Tor unser kleinen Bachbrücke gebaut hat. In Einzelteilen hat er es an seinem Arbeitsplatz bei Borgward in Bremen nach seiner Arbeitszeit gebaut und mit dem Zug nach und nach mit nach Sagehorn genommen. Unnötig zu sagen, dass die Konstruktion auch nach knapp 60 Jahren immer noch intakt ist. Eine Vielzahl von Fotos ist auf eben dieser Brücke entstanden, hier eines aus dem vergangenen Jahr mit meinen beiden niederländischen Cousins).
Eine kleine Anekdote am Rande: Eberhard war Jahrgang 1933 und damit eine halbe Generation älter als ich. Irgendwann muss er wohl in jungen Jahren ein „Malöhr“ in Form von Fäkalien an seinem Schuhwerk gehabt haben, was ihm den Spitznamen „Schiethack“ einbrachte. Ich war noch ein sehr kleines Kind, so klein, dass man mich noch in einem „Laufstall“ unterbringen konnte. Zu ersten Kommentaren war ich aber offenbar damals schon fähig. Eberhard hatte sich angekündigt und meine Eltern oder Großeltern sagten zueinander, dass „Schiethack“ gleich kommen werde (vielleicht wegen des Brückengeländers?) Sofort brüllte ich begeistert los: „Schiethack, Schiethack, Schiethack!“ Meine Eltern geboten mir, das bloß nicht zu sagen, wenn Eberhard gleich käme. Das Resultat ahnen Sie schon … Ich soll gar nicht mehr aufgehört haben, seinen Spitznamen laut und begeistert zu skandieren, als er in unsere Stube eingetreten war. So bin ich eben: Ich kann einfach nicht die Klappe halten!
Gerade habe ich mit seinem Nachbarn Johann Mindermann („groten Schioks“) telefoniert. Wir sind beide traurig. Eberhard wird – nicht nur uns – fehlen.
Sehr traurige Nachricht.
Ich habe mich immer sehr gerne mit ihm unterhalten. Er war meistens gut gelaunt und hatte immer eine Geschichte auf Lager.
Leider ist es mir in letzter Zeit oft so gegangen, dass sich zu spät kam.
Wollte so viele Leute besuchen, dann waren sie plötzlich nicht mehr da.
Sowas sollte man nie auf die lange Bank schieben.
Gruß Didi
Das stimmt mich aber sehr traurig. Ich bin sein Cousin aus Amerika, 77 Jahre alt. Wir haben uns des öfteren geschrieben, auch ein paarmal telefoniert. Seinen Schwarmann-Familienstammbaum wollte ich gern eines Tages übernehmen, doch alles scheint abhanden gekommen zu sein, so schrieb mir seine Tochter Sigrid. Gern hätte ich von seinen Verwandten und Freunden etwas per Email aus seiner Heimat gehört an …
Das stimmt mich aber sehr traurig. Ich bin sein Cousin aus Amerika, 77 Jahre alt. Wir haben uns des Öfteren geschrieben, auch ein paar Mal telefoniert. Seinen Schwarmann-Familienstammbaum wollte ich gern eines Tages übernehmen, doch alles scheint abhanden gekommen zu sein, so schrieb mir seine Tochter Sigrid.
Die Familienverbindungen zwischen Eberhard Schwarmann und mir gehen drei Generationen zurück und kreuzen sich beim gleichen U-Großvater Dietrich Schwarmann (1804-1892) vom Bauhof Nr. 3 in Sagehorn. Eberhards Großvater war Johann Schwarmann (1851-1932) gefolgt von seinem Vater Karl Schwarmann (1891-1949). Bei Dieter Schwarmann kam nach seinem U-Großvater Dietrich Schwarmann sein Großvater Heinrich Schwarmann (1858-1932) vom Bauhof Mr. 3 in Sagehorn. Er war der jüngste von 11 Geschwistern, der nach Bremen „auswanderte“ und dort das Maschinenschlosser- und Mechaniker-Handwerk erlernte. Am 28.7.1888 heiratete er eine Sohie Albers (1852-1910) aus Mellinghausen. Sein Vater Heinrich Schwarmann wurde am 1.12.1890 in Bremen geboren.
Ich, Dieter Schwarmann, geb. 1934 in Hannover, habe eine Tochter Mary Schwarmann (54 J.) und einen Sohn Mark Schwarmann (52½ J.) sowie einen Enkel Dirk Schwarmann (25½ J.). Mein Vater ist während des 2. Weltkrieges an der Russischen Front als Luftwaffenoffizier bei der sowjetischen Großoffensive vom 24.-29.6.1944 im Mittelabschnitt im Raum Bobruisk gefallen. Als junger Mann diente er für einige Jahre (vermutlich zwischen 1909 bis 1915) bei der deutschen kolonialen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika.
Im Jahre 1954 ist bin als 20-jähriger von Hannover aus nach Amerika ausgewandert. Heute genieße ich mit meiner Frau Lucy den wohlverdienten Ruhestand im sonnigen Bundesstaat Kalifornien.
Gern hätte Dieter Eberhard und den vielen anderen entfernt-verwandten Angehörigen des Schwarmann-Familienstammes in Sagehorn-Oyten in die Arme genommen und herzlich gegrüßt. Doch ist es zu einem solchen Familientreffen bedauerlicherweise nie gekommen. Ich würde mich über jeden Kontakt mit der alten Heimat freuen.
Ja, das mit dem Schiethack ist so eine Sache. Diesen Spitznamen hatte mir mein Vater auch schon in sehr jungen Jahren zugedacht. Und ich habe diesen Ausdruck immer so spaßig nehmen können, wie er gemeint war. Es lag sogar die Spur eines Kompliments darin. Erst später begegnete mir dieser leicht verwerfliche Name in einer Auflistung alter Vogelnamen, und zwar als Bezeichnung für den bis in die 50er Jahre in Niedersachsen sehr häufig vorkommenden Wiedehopf, der mittlerweile bei uns ausgestorben ist. Und vermutlich bin ich eine der Letzten, die in den 70ern noch so genannt worden ist… Zwar bin ich auch nur noch selten zwischen Embsen und Grasberg anzutreffen, aber vom Aussterben bin ich hoffentlich noch ein gutes Stück entfernt.
Und vielleicht hängt dieser Kosename ja auch mit dem Verhalten des Wiedehopfs zusammen, seinen Schnabel in alles Mögliche zu stecken, um nach Käfern, Maden und anderem Gekrabbel zu suchen – zwecks Nahrungsaufnahme, versteht sich.
Und siehe da, Kuhfladen boten dafür eine gute Basis. Deswegen der Name für den Vogel.
In‘ n Schiet rüm to hacken korrespondiert somit ganz god mit dat Bedürfnis von lütsche Kinner, alles nipp un nau to ünnersöken. Villicht is dat nich dat Sülbe, as mit de Hacken in’n Schiet to stahn. Man dat kann ok passieren. „Schiet Happens“, seggt min lütschen Jung dorto.
Aber jetzt weiß ich wenigstens, dass ich nicht der einzige Schiethack auf der Welt gewesen bin, sondern Eberhard Schwarmann ebenso. Und an ihn und seine freundliche Art sowie einige ordentliche Feiern in Embsen erinnere ich mich ganz gut, und vor allem gern.