Es gibt Gesichter aus der Vergangenheit meines Heimatorts Sagehorn, die sind da einfach nicht wegzudenken. Eines davon ist das von Martha Schwarmann.
Die Schwarmänner aus Sagehorn stammen ursprünglich wohl aus Schweden, so jedenfalls hat es mir Nachbar Eberhard Schwarmann, der Bruder von „Tante Erna“ neulich erzählt; dort heißen sie heute wohl noch „Swareman“, so wie die erste dokumentierte Familie im Jahre 1531 in Sagehorn. Zu dieser Zeit gab es in Sagehorn zwei Bauhöfe (Swaremann an der Ecke Ziegeleiweg/Sagehorner Dorfstraße) und Lantemann in der Nähe der Lehmkuhle am Ziegeleiweg) und eine Köthnerstelle. Um das Jahr 1550 erwarb ein Alverich von Clüver (daher später sohl auch der „Clüwerdamm“) den Hof des Arnft Lantemann.
Eberhard ist zufällig einmal einer solchen schwedischen Familie auf dem Oyter Friedhof begegnet, wo diese just nach Gräbern von Schwarmännern Ausschau hielten. Da waren sie bei Eberhardt gerade richtig!
In Sagehorn gibt es mehrere Familien Schwarmann. Das Elternhaus aller Schwarmänner muss wohl das von Dieterich (Dirk) Schwarmann „Auf der Heide“ sein. Sein Bruder Herrmann mit seiner Frau Martha Schwarmann und deren Sohn Helmut haben lange bei Osmers oben gewohnt, schreibt mir Dieter, später haben sie dann gegenüber von Köster/Öding gewohnt. Karl Schwarmann war der dritte Bruder.
Karl Schwarmann gehörte einst der Kolonialwarenladen. Er war mit Sophie (geb. Rutenberg, aus dem Hause Höbbel, im Ort sagte man „Hibbel“) verheiratet und der Vater von Heinz (im Krieg gefallen), Hans-Karl, Erna und Eberhard. Irgendwie hängen die Schwarmänner auch wohl mit den „Aukamps“ zusammen, die wieder mit „Bomann“ und „Osmers“ – sagt Johann Mindermann, wer das genau weiß, bitte berichten.
Dieter schreibt: „Den Namen Bomann bringe ich immer mit „Bomanns Lerch“ in Verbindung. Dort haben wir als Kinder immer gebadet. Das war ein Stau im Eckhoffsgraben. Nach dem Stau war das Wasser so tief, dass es uns bis ans Kinn reichte.“
Martha radelte zeitlebens mit ihrem Miele-Rad von „Auf der Heide“ bei uns vorbei zu Erna Schwarmanns Kolonialwarenladen in der „Sagehorner Dorfstraße“ zum Einkaufen. Manchmal drei Mal am Tag, weswegen sie auch „Martha-Rad“ hieß.
Uns jungen Leuten erschien Martha Schwarmann von den 50er Jahren bis in die 80er Jahre durchgehend eine „alte Frau“ mit ihrer weißen Dauerwelle und der Kittelschürze. Ob jemand sie je anders gesehen hat? Martha wohnte auf der anderen Seite der Bahn und solange es noch den Bahnübergang mit Schranken gab, war Ernas Laden schnell zu erreichen. Später musste man dann ja einen ziemlichen Umweg über die neue Brücke in Kauf nehmen.
Eines Tages haben wir Bengels auch ihr einen Streich gespielt. Wenn uns der Hafer stach und wir Langeweile hatten, nahmen wir nämlich gerne ein altes Portemonnaie, banden es an einem ganz dünnen schwarzen Faden und legen es auf den Radweg, der damals noch eine reine Sandpiste war. Der Faden wurde vorsichtig mit Sand abgedeckt. Sobald jemand anhielt um das Portemonnaie aufzuheben, zogen wir es aus etwa 10 Metern Entfernung, getrennt und gut versteckt durch eine Hecke, zurück auf „Schioks“ Wiese.
Wüste Beschimpfungen waren meist die Folge: „Düsse vermuckten Bengels!“ Wenn wir mal eines Portemonnaies verlustig gegangen waren, weil wir zu spät zogen, der Finder es festhielt und der Faden riss, packten wir auch schon mal ein Stück Holz in Geschenkpapier ein – jetzt aber ohne Faden, nur um zu sehen, ob jemand es stikkum mitnähme. Fast alle taten es, nachdem sie sich vorsichtig drei Mal umgeschaut hatten, ob einer sie auch dabei beobachtet hätte.
Wir wussten ungefähr zu welcher Uhrzeit Martha zum täglichen Einkauf von „Graubrot“ usw. zu Schwarmanns Kolonialwarenladen radelte, nämlich gegen kurz nach drei. Und da kam sie schon angeradelt, gemächlich und langsam wie immer. Und … ja, sie sah das Portemonnaie, stieg in die Bremsen, was ein hohes quietschendes Geräusch machte und stieg ab. Just, in dem Moment, wo sie sich als leicht korpulente Dame etwas mühevoll bückte, zogen wir an. „Ich krich joh noch!“ drohte uns Martha und schob ihr Fahrrad die restliche Strecke zu Tante Erna. Wir machten, dass wir wegkamen.
Wenn wir es mal zu doll getrieben hatten und sich Nachbarn bei meinen Eltern über meine Untaten beschwerten, hieß es immer „De johe wör ook dorbi!“ Das waren aus meiner heutigen Sicht übrigens gar keine Streiche, sondern frühe Sozialstudien – und vermutlich die Vorwegnahme von „Vorsicht Kamera“!
Ich bin auch eine Schwarzmann aus Sagehorn, mein Vater ist Johann Schwarzmann