Ein Haus braucht Menschen

DSCN1870Gestern war es soweit: Ich habe mein Elternhaus in der Sagehorner Dorfstraße 55 an die neuen Eigentümer übergeben.

Meine Großeltern hatten das Haus im Jahre 1920 erworben und bewohnten es mit ihrem Sohn, meinem Vater, Alfred. 1944 kam meine Mutter Jopie aus Amersfoort dazu. Im Jahre 1951 wurde ich geboren. Bis zum Jahre 1961 lebten wir zu fünft unter diesem Dach, bis 1963 zu viert. Irgendwann in den 1970er Jahren bin ich ausgezogen. Mein Studium führte mich bald nach Frankreich. Danach wohnte ich in Bremen.

Nachdem mein Vater im Jahre 2006 gestorben ist, lebte meine Mutter noch bis zum Frühjahr 2008 allein in diesem großen Hause, bevor sie sich für das Senioren- und Pflegeheim „Am Berge“ entschied. Bis zu ihrem Tode im Herbst 2010 habe ich das Haus „bewirtschaftet“, so dass sie jederzeit hierhin hätte zurückkehren können – doch das wollte sie entschieden nie.

Danach war das Haus endgültig ohne Hüter. Nach und nach habe ich die Pflanzen in den Blumenfenster in den Garten umgepflanzt, verschenkt oder mitgenommen. Das Licht ging abends wie von Zauberhand an, die Rollladen auf und ab. Ein tüchtiger Helfer hielt Gras und Hecken kurz – so sah alles doch noch ein wenig belebt aus. Potenziellen Einbrechern bot ich auf Hinweisschildern zudem die kostenlose Herausgabe von verbleibenden Hausratgegenständen an. Doch niemand hat sich gemeldet und keiner hat eingebrochen außer, dass sich offenbar jemand an ein paar Hundert Litern Heizöl per Saugschlauch bedient hat – meine Schuld, die Verschlussklappe des Tankstutzens war zeitlebens nie mit einem Schloss gesichert.

Zwei Jahre habe ich das Haus noch geheizt, dann habe ich auch die Heizung abgestellt. Zu vermieten war das Haus auf Grund eines größeren Sanierungsrückstands aus meiner Sicht nicht. Ein beauftragte Immobilienmakler erkannte dies nicht, so dass ich im Jahre 2012 selber das Objekt ausschließlich als „Baugrundstück“ anbot.

Im Frühjahr dieses Jahres passte es dann: Ein junges polnisches Paar mit zwei kleinen Kindern will hier nun hier heimisch werden. Für die Kinder ist das riesige Grundstück mit Obstbäumen, Gemüsegarten und mit dem Mühlengraben vor der Haustür ein idealer Ort zum Aufwachsen. Den handwerklich ausgebildeten und aktiven Eltern bietet es genügend Ausbaureserve zum Wohnen und Arbeiten.

Einmal im Jahr werden wir von ihnen zum „Piroggen“-Essen eingeladen – so haben wir es vereinbart. Es ist schön, dass nun weder Leben in das Haus einzieht. Großeltern und Eltern würden sich gewiss darüber freuen. So fällt der Abschied nicht schwer.

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2 Antworten zu Ein Haus braucht Menschen

  1. Jochen Voigt sagt:

    Lieber Karl-Heinz,
    das ist wirklich ein bewegender Schritt. Ich kann verstehen, dass es schwerfällt. Aber es ist bestimmt eine gute Entscheidung. Es wäre auch nicht im Sinne Deiner Ahnen gewesen, wenn das Haus noch länger leersteht.

  2. Dieter Osmers sagt:

    Das Elternhaus von Karl-Heinz hat leider nicht mehr lange Menschen beheimatet.
    Nachdem die polnische Familie begonnen hatte das Haus zu renovieren, stand es lange Zeit leer. Jetzt liegt dort wo einmal das Haus stand ein großer Trümmerhaufen.
    Das Haus, das einmal Großeltern und Eltern beheimatete, und wo Karl-Heinz behütet
    aufgewachsen ist, wurde jetzt abgerissen. Dort wird demnächst ein Haus mit 8 Wohneinheiten gebaut.

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