„Einen schönen Tag noch für Sie!“

Haben Sie es auch schon bemerkt? Seit einigen Jahren schwappt eine Welle der Freundlichkeit über unser Land. Wie schön. Einerseits.

Wären da nicht diese bemühten Sätze: Die Verkäuferin im Bäckerladen beendet den Kaufvorgang mit „Einen schönen Tag noch für Sie!“ Der Kunde stutzt, diesen Satz hat sie vermutlich auswendig gelernt. Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Doch wenn eine Aussage wirken soll, muss sie „authentisch“ rüberkommen. Das ist sonst wie das „Lufthansa-Lächeln“ – professionell, aber eben nicht ganz echt.

Dem Kunden ist dieser Satz auch an sich nicht ganz geheuer, ihm schwant einmal mehr denglischer Einfluss, denn auch „Haben Sie einen schönen Tag!“ hat er auch schon vernommen. Die nordamerikanischen Verbündeten sind ja Weltmeister im Charmieren von Kunden: „Hello, how are you?“,Nice to meet you!“ usw.

Die obige Satzkonstruktion ist zumindest für Bäckereifachverkäuferinnen ungewöhnlich anspruchsvoll: Anstelle des im Deutschen erwartbaren Satzes „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!“ (oder kurz: „Schönen Tag noch!“) haben wir es hier mit einem Beispiel der in der englischen Sprache geforderten strikten SPO-Konstruktion (Subjekt – Prädikat – Objekt) zu tun, wobei das ursprüngliche Objekt „einen schönen Tag“ zum neuen Subjekt des Satzes erhoben wurde.

Das Ganze erinnert also an eine Passivkonstruktion, bei der das Objekt des Aktivsatzes ja auch zum neuen Subjekt des Passivsatzes wird und an der in der Regel Scharen von Schülern in der Mittelstufe scheitern – nur eben die Kollegin mit dem Backautomaten nicht!

Nun fluten also nicht nur amerikanisches Dauergrinsen und mannigfaltige lexikalische Wortübernahmen über den Atlantik, sondern auch noch syntaktisches „Agent Orange“. In diesem Sinne: „Haben Sie Acht!“

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2 Antworten zu „Einen schönen Tag noch für Sie!“

  1. Unsere Beziehungen zur authentischen Freundlichkeit sind fraglos vielschichtig !
    In der E-Mail-Kultur hat sich das geschlechtslose „Hallo“ durchgesetzt und als Antwort auf die stereotype Frage „Wie geht es Ihnen ?“ erschlägt die Hessische Variante „und selber ?!“ alle möglichen Kommunikationsversuche im Keime. Bliebe als Abschiedsgruß noch das pseudo-fröhliche „wir sehen uns !„ und schon ist die Grenze zwischen medialer und realer Wirklichkeit erreicht („Nummer 6“ lässt grüßen !).

    Zum gleichen Thema und dem Stichwort „Bäckerin“ fällt mir noch ein persönliches vor-weihnachtliches Erlebnis ein, dass als Lehrstück einer Fröhlichkeits-Bewältigungs-Therapie herhalten könnte. Hier der dramaturgische Ablauf:

    Vorbemerkung:
    Bei unserem Stammbäcker an der Ecke gab es noch nie die üblichen kleinen Weihnachtsgeschenke des örtlichen Gewerbes wie Kalender, Plätzchen, usw. Dieses über-korrekte Geschäftsgebaren mag man im Sog der Neuen Freundlichkeit möglicherweise eines Tages als Defizit erkannt haben und so hatte man sich zum nächsten Weihnachtsfest etwas ganz besonders Freundliches ausgedacht !
    Nachdem ich meine Backwaren bezahlt und in Empfang genommen hatte, lag urplötzlich ein Kilopaket Weizenmehl (Typ 405) neben meiner Tüte. Ohne Kommentar wollte ich nicht nach fremden Sachen greifen, noch hatte ich diesbezüglich etwas geordert. Da der Verkaufsbetrieb in vollem Gange war, meine unsicheren Blicke keinen Kommentar erzielten, ging ich nachdenklich nach Hause und wir verbrachten das Weihnachtsfest auch diesmal ohne ‚Bäckerei-Geschenk’.

    Dieses Erlebnis ließ mich das folgende Jahr nicht los, ich kam immer mehr zu der Überzeugung, dass ich die gut gemeinten lessons-learned Ergebnisse der Bäckerei missachtet hätte. Hier war mir quasi eine Welle der Freundlichkeit in Form eines Kilopaketes Weizenmehl (Typ 405) entgegen gekommen, und ich hatte in meiner verbunkerten Denkweise diese Geste nicht verstanden ! Aber hatte ich überhaupt eine Chance gehabt ? Kann eine Freundlichkeit überhaupt „authentisch“ sein, wenn sie gar nicht erkannt wird ?

    Ich wollte mich bessern und bereitete mich auf den nächsten 24.12. intensiv vor. Als der nächste Heiligabend und der rituale Brotkauf anstand, war ich gewappnet, diesmal wollte ich freundlicher reagieren ! Doch dann kam es genau wie geplant zu folgendem Zwiegespräch:

    (Heiligabend in einer deutschen Bäckerei. Die Bäckerin legt wortlos neben die Einkäufe eines Kunden ein Kilo Weizenmehr, Typ 405, offensichtlich als Weihnachtsgeschenk gedacht.)
    Kunde: „Oh, was ist das denn ?“
    Bäckerin: „Das ist ein Weihnachtsgeschenk !“
    Kunde: „Heißt das, dass ich mir meine Brötchen jetzt selber backen soll?!“
    Die Bäckerin schwieg und warf mir nur einen bösen Blick zu.

    Diese Beispiel fällt mir immer ein, wenn ich über ‚Freundlichkeit’, ‚authentische Freundlichkeit’ nachdenke. Auffällig ist auch immer die Gastfreundschaft (der anderen !), wenn man z.B. aus dem Urlaub zurückkommt.

    Insgesamt stimmt es aber schon, die ‚Freundlichkeit’ hat in deutschen Geschäften zugenommen, manchmal wird sie schon wieder durch ihre eigene Karikatur überholt. Zum Beispiel wenn man an der Kasse eines Supermarktes gefragt wird: „Haben Sie alles gefunden, was Sie gesucht haben ?“ Diese Frage hinterlässt bei mir jedes Mal eine tiefe Sprachlosigkeit und noch Tage danach überlege ich, was ich gesucht, aber nicht gefunden habe oder ob ich überhaupt das, was ich gekauft habe, gesucht hatte.

    Aber bitte, lassen wir uns sie Butter nicht vom Brot nehmen, bevor es geschmiert ist !
    Auch eine steife Freundlichkeit ist besser als ihre unfreundliche Schwester !

  2. Ganz Ihrer Meinung: Lieber eine „professionelle“ Freundlichkeit als eine authentische Muffigkeit!

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