Ansichtskarten – wenn einer eine Reise tut …

Seit es die Post gibt, schreibt der Mensch Briefe  – oder umgekehrt. Etwas später entwickelte sich daraus die „Ansichtskarte“.

Wann genau die erste Postkarte gedruckt wurde, ist nicht bekannt. Nach der  Einführung von Briefmarken im Jahre 1840 in England wurde dort offenbar noch im selben Jahr die erste handgemalte bebilderte Karte verschickt. Die erste ganzseitig bebilderte deutsche Karte, die ohne Umschlag verschickt wurde, stammt aus dem Jahre 1866.

Die Adressseite war einst rein für Briefmarke, Poststempel und Adressierung bestimmt. Dort durfte kein Mitteilungstext geschrieben werden, dieser war auf der Bildseite  zu verfassen – weshalb man manchmal im Nachlass der (Ur-) Großeltern noch genau solche vorne bekritzelten Karten findet. Erst im Jahre 1905 wurde die Adressenseite der Ansichtskarte in Deutschland geteilt, wobei die linke Seite für Mitteilungen zur Verfügung stand.

Seither sind gewiss Billionen von Ansichtskarten verschickt worden, besonders gerne aus der Ferne und später aus dem Urlaub an Bekannte und Verwandte, wohl um dem Empfänger einen Eindruck davon zu geben, wie es dort aussieht, wo man gerade ist. Die Rückseite konnte dann für mehr oder weniger anspruchsvolle Mitteilungen benutzt werden: „Schöne Urlaubsgrüße senden Euch Chantal und Justin aus Florida, wo wir den ganzen Tag am Strand liegen und faulenzen.“

Heute gibt es nur noch wenige große Ansichtskartenverlage: Der technische Fortschritt hat auch hier die Gewohnheiten verändert. Inzwischen kann man schon vom Reiseort aus eine eMail mit Fotoanhang oder eine MMS vom Handy aus schicken: Lagune mit Palmen – in unserer Gütergesellschaft wohl ein Trend mit zunehmend Tendenz, damit die blassen Daheimgebliebenen vor Neid noch blasser werden.

Neuerdings erreichen den Daheimgebliebenen per E-Mail schon vor der Abreise von Bekannten Fotoaufnahmen des Reiseziels, gepaart mit süffisanten Zeilen an die Daheimbleibenden – „und tschüss„:

“Erst ein wenig hier (Foto Stadt), dann ein paar Tage dort (Foto Strand) und dann hier (Foto Resort). Bordkarten sind schon gedruckt, Seats 1A + 1B – also direkt unter dem Piloten. Euch eine angenehme Zeit bei dem Schietwetter hier und liebe Grüße M.”  (Originalzitat).

Es reicht eben wohl nicht mehr, sich selber zu erfreuen – man möchte sich offenbar am liebsten noch den Neid der Anderen erkaufen, getreu dem Motto: „Es genügt nicht, selbst glücklich zu sein; die anderen müssen dazu noch unglücklich sein.“ (Jules Renard , Tagebuch, 16. Mai 1894). Haben ist in unserer Wohlstandsgesellschaft eben offenbar doch wichtiger als sein.

 

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