Mit dem Radio durch die Woche

Die meisten modernen Menschen eilen zielgerichtet durch die Arbeitswoche aufs Wochenende hin. Die Radiosender bemühen sich dabei, die Bevölkerung bzw. ihre definierten Zielgruppen mit Musik und mehr oder weniger sinnigen Beiträgen und Durchhalteparolen bei Laune zu halten.

Die Sprecher geben sich idR als gut gelaunte Begleiter durch den Tag. Der Feierabend ist bereits ab Mittag der Fluchtpunkt des gesamten Programms. Die Sender wissen inzwischen, dass Erinnerung ein wichtigstes Kapital ist, Erinnerung an eine Zeit, in der alles möglich schien, eine Zeit ohne Arbeit, finanzielle Verpflichtungen, Beziehungstress. Die Musik ist deshalb zunehmend „retro“: „If you’re going to San Franciso, be sure to wear some flowers in your hair!“

Zu den beliebtesten Elementen der Moderation gehört die Psychologie der Wochentage. Am Montag zieht sich das Lamento durchs Programm, wie hassenswert dieser Wochentag doch sei, der dazu passende Musiktitel: „Monday I’ve got Friday on my mind“. Und Tante Inge sagt am Ende des Montags immer aufseufzend: „Montag rum, Woche krumm!“ Mittwoch feiert man Bergfest: „Nur noch zwei Tage, dann haben wir es geschafft!“ Wer am Freitag Radio hört, wird jede Viertelstunde mit dem Hinweis bedacht, dass nun bald Wochenende sei – jede Woche wieder.

Welchen Stellenwert die Arbeit im Programm der Radiosender generell einnimmt, erkennt man an der Inszenierung des Bildes von fremdbestimmten Angestellten. Für den Hörer heißt zur Arbeit gehen offenbar, sich jeden Morgen überwinden müssen und ab dem Mittagessen den Feierabend herbeisehnen. Die Moderatoren lassen keinen Zweifel daran, dass es eine entfremdete, von den Hörern zutiefst verachtete Arbeit ist, die verrichtet werden muss, während das Radio läuft.

Auch an den halbstündigen Wetterberichten, Verkehrsnachrichten, Blitzer- und Staumeldungen offenbart sich ein Weltbild, das die Sender ihren Hörern gerne vermitteln: Das Leben ist von Mächten bestimmt, gegen die man nichts ausrichten kann. Die Moderatoren spenden daher steten Trost mit Worten und Musik.

Dass es also weiterhin einen Unterschied zwischen dem „Reich der Freiheit“ und dem „Reich der Notwendigkeit“ gibt, gilt mithin als gesichert.

Wissen Sie übrigens, was nach landläufiger Meinung der schönste Tag der Woche ist? Dienstag! Warum gerade der? Nun, weil es dann am längsten dauert, bis es wieder Montag ist!

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