Vor etwa 40 Jahren bin ich bei der Reserveoffizieranwärterprüfung mit dem schriftlichen Prüfungsthema „Tapferkeit oder Leichtsinn“ konfrontiert worden. Heute am Volkstrauertag, fällt mir diese Episode wieder ein, weil dieser Tag für einige Jahre auch „Heldengedenktag“ hieß.
Der Volkstrauertag wurde im Jahre 1919 vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. 1922 fand die erste Gedenkstunde im Reichstag statt. 1926 wurde der Volkstrauertag erstmals begangen und der Toten fürderhin regelmäßig am „Sonntag Reminiscere“ (fünfter Sonntag vor Ostern) gedacht.
Mit dem Gesetz über die Feiertage vom 27. Februar 1934 wurde der Volkstrauertag von den Nationalsozialisten in „Heldengedenktag“ umbenannt und in seinem Charakter verändert: Nicht mehr Totengedenken sollte im Mittelpunkt stehen, sondern Heldenverehrung.
In Abgrenzung zur Tradition des Heldengedenktages wurde 1952 beschlossen, den Volkstrauertag an das Ende des Kirchenjahres zu verlegen; diese Zeit wird theologisch durch die Themen Tod, Zeit und Ewigkeit dominiert. Er wird zwei Sonntage vor dem ersten Advent begangen und soll nun an die „Toten zweier Kriege an den Fronten und in der Heimat“ und an die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen erinnern.
Über meine schriftliche Niederlegung einst, dass die Beantwortung der Frage nach „Tapferkeit“ doch sehr vom Ausgang einer Aktion und ihrer späteren historischen Bewertung abhänge, war der Prüfungsausschuss nicht eben glücklich. Konnte er auch nicht sein, saßen da doch lauter kleinhirngesteuerte „Kommissköppe“ und keine großhirnlastigen Philosophen.
So hätte es sicher keiner im Jahre 1944 gewagt, die Männer des 20. Juli (des Stauffenbergattentat) „Helden“ zu nennen. Heute jedoch sind sie es für mich und die Mehrheit unserer heutigen Bevölkerung.
Sind Bundeswehrsoldaten, die heute (mE verfassungswidrig) ihren Dienst in fernen Ländern verrichten und dabei zu Tode kommen, auch „tapfer“? Oder ist es möglicherweise „leichtsinnig“, sich als deutscher Soldat im Irak, Afghanistan usw. zur Befriedung der durch die USA als „Schurkenstaaten“ erkannten Ethnien zu bewegen?
Was meinen Sie?
moin, moin Herr Heidtmann,
interessant, dass Sie an diesem Tag im Z(w)eitgeist einen Text hinterlegen – mich verbindet mit dem Volkstrauertag eine sehr lange Geschichte bis in die Kindheit. Bei uns in Kiel brannten am Volkstrauertag grüne Kerzen in den Fenstern (grün, die Farbe der Hoffnung – die Kerzen, ein Licht in der Dunkelheit). Außerdem erinnere ich mit einer gewissen Schwermut an die ständigen Meldungen vom „Roten Kreuz“: Vermisstenmeldungen, Suchmedlungen, Heimkehrer usw. Es war stets mit großen Emotionen verbunden, außerdem gab es an markanten Punkten riesige Tafeln mit Fotos und Texten; da suchten Menschen ihre Angehörigen und hofften auf positive Rückmeldungen wieder Heimgekehrter.
Natürlich nehme ich jährlich an den Veranstaltungen zum Volkstrauertag teil, wahrlich nicht um Helden zu gedenken! Ich halte es für unbedingt wichtig, dass diese furchtbaren Zeiten und viele Greueltaten (alleine schon der Holocaust) nicht vergessen werden. Und, es ist geradezu erschreckend, wenn ich mich an ein paar Zahlen einer Rede von heute erinnere: Im ersten Weltkrieg starben etwa 7 Millionen Menschen – im zweiten Weltkrieg spricht man von etwa 55 Millionen – und jetzt kommt das für mich Entsetzliche: Vom Kriegsende bis heute sind es ca. 40 Millionen Tote, die durch Kriege, Terror, Folter, Menschenrechtsverletzungen usw. zu beklagen sind.
Es stellt sich die Frage: Lernt der Mensch nicht von der Geschichte? Wird er niemals aufhören mit dem Morden (gleich aus welchem Grund)? Vor allen Dingen passieren viele dieser Verbrechen, ohne das davon groß Notiz genommen wird. Wir müssen uns eines vor Augen führen: Kein auf diese Weise erlebter Tod ist heldenhaft! Ich war selber vier Jahre bei der Marine und habe u.a. den Einmarsch der Russen in die Tschechoslowakei an Bord erlebt. Es gab sofort Alarm und alle Einheiten sind ausgelaufen. Wir alle haben nur an eines gedacht: Gbt es wieder Krieg?
Wir können es nicht hoch genug achten, dass wir jetzt schon 66 Jahre in Frieden leben dürfen (wenn wir mal den Terror und andere menschenverachtenden Taten mit tödlichem Ausgang außer acht lassen). Wir sollten dankbar sein und alles dafür tun, dass es so bleibt, und auch die gesamte Welt endlich zur Ruhe kommt. Dazu gehört für mich auch die Erinnerung und das „nicht Vergessen“.
Hans-Werner Kleindiek