Wann ist ein Freund ein Freund?

Neulich fragte ich einen vermeintlich langjährigen Freund, ob wir seiner Meinung nach eigentlich Freunde seinen. Er musste kurz nachdenken, um dann mit etwas verkniffenen Gesicht zu verneinen. Er habe seit vier Jahrzehnten nur zwei uralte Freunde, mehr nicht. Wir kennen einander „erst“ seit etwa 15 Jahren. Ich war zugegeben etwas geknickt, das ist also noch ein langer Weg. Doch die Tatsache, dass jeder Deutsche statistisch ohnehin nur 3,3 Freunde hat, tröstete mich ein wenig darüber hinweg.

In der Tat sollte der Begriff Freund nicht inflationär gebraucht werden, wie etwa bei Facebook („Max und Mia sind jetzt Freunde“). Doch wie stuft man „sehr guter“, „guter“ Freund, „sehr guter“ oder „guter“ Bekannter ab? Wer oder was ist ein Freund, und wer oder was nicht? Wann ist man ein Freund? Und wieviele Freunde kann man überhaupt verkraften?

Unter der Dunbar-Zahl (Dunbar’s number) versteht man die Grenze der Anzahl an Menschen, von denen jemand die Namen und die wesentlichen Beziehungen untereinander kennen kann. Die Dunbar-Zahl wird i.A. für den modernen Menschen auf etwa 150 geschätzt.

Wann ist ein Freund ein Freund?

Per Definition ist ein Freund jemand, den man schätzt und mag um seiner selbst willen, ohne jegliches Kalkül aus Geschäftsinteressen. Ein Freund ist ein Mensch, dem man es erlaubt, sich auszusprechen, sich dabei so oft er will zu wiederholen, ihm ein Gästebett anbietet oder ihm auch anderweitig ohne Vorleistung hilft. Ein Freund ist auch, wer nicht lange fragt, sondern einfach tut und gibt.

Bei einem Bekannten mag Kalkül, die Hoffnung auf mögliche Vorteile im Vordergrund stehen: „Ich kenne da jemanden, der …“ Ein Bekannter ist jemand, dessen Einladung zum Essen als „Aufgabe“ in Outlook steht.

Drei Dinge braucht es zur Freundschaft: Nähe, Interaktion und Raum. Freundschaft muss von beiden Seiten als solche empfunden werden. Und beide Seiten müssen bereit sein, etwas für diese Freundschaft zu tun, zB Zeit zu „investieren“. Denn jede Freundschaft bedarf einer gewissen Pflege. Manche mehr, manche weniger.

„Freundsein erfordert gemeinsame Sachen.
Lass uns nicht reden, lass uns was machen!“ (Klaus Hübotter)

Vielleicht sollte man vorsichtigerweise auch von „derzeitigen“ bzw. „aktuellen“ Freunden sprechen. Denn im Laufe des Lebens kommen Freunde und gehen wieder. Alle sieben Jahre verliert man etwa die Hälfte seines Freundeskreises aus den Augen. Nur wenige Freundschaften „überleben“ von der Kindheit bis ins hohe Alter. Das müssen dann allerdings wohl „wahre“ Freunde sein. In den jeweiligen Lebensphasen sind unterschiedliche Themen wichtig – und damit unterschiedliche Freunde zwingend notwendig. Da bleiben dann immer wieder einige auf der Strecke und manche Freundschaft wird „gekündigt“.

Zwecklos sind auch meist die Versuche, zB Jahrzehnte später alte Schulkameraden zu neuen Freunden zu machen – insofern ist „Stay Friends“ nur ein bedingt taugliches Modell, wenn auch durchaus geschäftstauglich. Und überhaupt, nur weil man einige Jahre per äußerem Zwang zusammengepfercht war, muss man keinesfalls befreundet sein. Das ist bei der Bundeswehr oder im Knast vermutlich ähnlich.

Mit zunehmenden Alter wird der Mensch wählerischer bei der Auswahl seiner Freunde und die Zahl wird kleiner, dafür aber die Beziehung vertrauter. Das ist logisch, weil man sich mit der abnehmenden Lebenszeit auf die wesentlichen Dinge und Menschen konzentrieren will.

Als gesichert gilt hingegen, dass alle Menschen Freunde brauchen, denn: „Ein loyaler Freund ist so viel wert wie zehntausend Verwandte.“ (Euripides)

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3 Antworten zu Wann ist ein Freund ein Freund?

  1. Paul Rentsch sagt:

    Ein Freund ist mein Freund, weil er sich als mein Freund empfindet und sich so verhält. Sich so verhalten heisst, er lässt mich sein, wie ich bin. Freundschaft bedingt, dass auch ich ihn als Freund empfinde und Freiheit. Sie engt nicht ein. Wir haben eine ähnliche Wertehaltung. Er getraut sich mich zu fragen, wenn er Hilfe braucht. Er holt sich bei mir, was ich ihm geben kann ohne es zu fordern. Er gibt sich wie er ist, denn er weiss, dass ich ihn so mag, wie er ist. Seine weniger schönen Seiten gehören dazu, und ich darf sie benennen. Das Wort „Nein“ belastet unsere Freundschaft nicht. Ich vertraue Dir, ich mag Dich, wir sind unterschiedlich, und wir haben Gemeinsamkeiten.

    Frauenfreundschaften – darüber kann ich höchstens theoretisieren, nachplappern. Ich kann auch nicht über Männerfreundschaften reden, an denen ich nicht beteiligt bin. Keine Beziehung ist wie eine andere weil an jeder Beziehung mindestens zwei einzigartige Individuen beteiligt sind. Es gibt keine identische Beziehungen. Es gibt auch keine identischen Väter. Jede meiner Töchter hat einen anderen Vater. Ich bin ein einziger Mensch aber vier Väter. Meine Töchter sind an der Beziehung beteiligt, und jede hat eine andere Wahrnehmung, einen anderen Resonanzkasten. Jede löst bei mir andere Empfindungen und Reaktionen aus, als die anderen. Jede nimmt an mir Seiten wahr, welche die anderen übersehen.
    So ist es auch mit den Freundschaften. Jedem meiner Freunde bin ich ein anderer Freund.

    Was darf man von einer Freundschaft erwarten? Vertrauen, Sympathie, Anregung und Unterstützung.

    Ja, eine Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Trotzdem kann ich der Freund von jemand sein, der mich nicht zu seinen Freunden zählt. Warum ist das wichtig? Ich bin gern mit ihm zusammen, wir mögen uns, wir vertrauen uns. Was ändert daran, ob er mich als Freund bezeichnet oder nicht?

    Paul Rentsch

  2. Karl-Heinz Heidtmann sagt:

    Lieber Paul,

    eine schönere oder bessere Definition habe ich noch nie irgendwo gelesen! Du bist und bleibst eine Wundertüte!

  3. Bekir Hakan Baysak sagt:

    Meiner Ansicht nach gibt es unterschiedliche Definitionen von Freund. Ein Freund ist für mich jemand der einem nicht nur in guten Zeiten vorhanden ist. Gerade wenn es einem schlecht geht, sollte ein Freund einem helfen. Es gibt natürlich auch Geschäftsfreunde, sowie Arbeitsfreunde die in bezug auf das Geld verdienen befreundet mit einem sind. Auch Menschen die man im Militär oder Knast kennen lernt können darunter der eine oder andere mit einem befreundet sein. Die meisten Freunde die man sich in den jungen Jahren aneignet gehen ihre eigenen Wege und man schliesst neue Freundschaften

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