Kriegsrecht?

Nicht nur der Z(w)eitgeist stellt sich zur Zeit die Frage, ob die militärische Intervention bzw. der kriegerische Angriff Libyens dem Völkerrecht entspricht.

Die SZ schreibt am 24. März 2011: „Tatsächlich vollzieht die Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Intervention in Libyen einen Umbruch im Völkerrecht.“

Galt bislang, dass der Sicherheitsrat ein militärisches Eingreifen verordnen konnte, wenn der Weltfriede und die internationale Sicherheit gefährdet waren, hatte man dabei offenbar Angriffskriege zwischen Staaten im Visier. Innerstaatliche Konflikte waren damit nicht gemeint. Und in der Tat rückte die Nato im „Kosevo-Konflikt“ (sic!) noch ohne UN-Mandat aus.

Doch inzwischen haben die selbst ernannten Völkerrechtler im UN-Milleniumsgipfel im Jahre 2005 die Gesetzeslücke erkannt und rasch eine neue Doktrin entwickelt. Sie nennt sich „R2B“ – „Responsability to Protect“, zu Deutsch: „Schutzverantwortung“. „Danach müssen die Staaten ihre Bürger vor schwersten Verbrechen schützen. Versagen die Regierungen, oder wüten sie gar selbst gegen die Menschen , so muss die Weltgemeinschaft eingreifen.“ (SZ, ebd.)

Viele Deutsche reagieren hinsichtlich eines solchen Begriffes immer noch allergisch: Gab es doch in jenen unseeligen und unrühmlichen Zeiten des Faschismus den ähnlichen Begriff „Schutzhaft“ (von Minister Schäuble als „Vorbeugender Unterbindungsgewahrsam“ jüngst neu ins Leben gerufen), nach dem unliebsame Zeitgenossen auch „vorsorglich“ weggesperrt werden konnte.

Die UN schützt nun also nicht mehr nur die Völker vor anderen Völkern, sondern die  Völker auch vor sich selbst. Das ist in der Tat innovativ! Erstaunlich schnell waren die Armadas der USA, England und – (un-) denkwürdiger Weise – Frankreichs koordiniert vor Ort, um das Land mit modernen Lenkwaffen anzugreifen. In den Nachrichten sehen wir eine Handvoll Menschen mit Pappschildern, auf denen an die Invasoren gerichtete Dankesparolen stehen – wie gut, das zufällig auch eine TV-Kamera anwesend war, sonst hätten wir das nie erfahren!

Nur ist es nicht verwunderlich, dass sich anderenorts innerhalb von Nationen Stämme wie Tutsi und Hutu seit Jahren gegenseitig massakrieren dürfen, ohne dass auch nur über eine Intervention nachgedacht wurde? Und warum dürfen sich Israelis und Palästinenser seit Jahrzehnten bekriegen, ohne, dass ein gallischer Hahn danach kräht? Wäre es nicht längst an der Zeit, die Iren, Belgier, Spanier wegen ihrer separatistischen Bombenleger usw. ein wenig zur Ordnung zu rufen?

Nein, denn wir müssen uns offenbar zwischen die Zeilen von „R2B“ die dort versehentlich nicht gedruckten Begriffe „Geostrategie“, „Rohstoffe“ und „Wirtschaftsinteressen“ denken, damit daraus tatsächlich ein handgreifliches Argument wird.

Dieser Beitrag wurde unter Politik abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.