Antwort von Giovanni di Lorenzo / „DIE ZEIT“

Gestern erhielt ich eine Antwort von Herrn di Lorenzo auf meinen Leserbrief zur Causa Guttenberg an „DIE ZEIT“, was mich in mancherlei Hinsicht erfreut hat. Hier der Text:

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Sehr geehrter Herr Heidtmann,

haben Sie Dank für Ihren Brief, auch wenn der Anlass für Sie ein unerfreulicher ist. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich nicht auf die Details Ihrer Argumentation eingehen werde. Das liegt nicht an meiner mangelnden Bereitschaft – ich pflege sonst jeden Brief genau zu beantworten -, sondern an der Zahl der positiven wie kritischen Zuschriften, die mich in einer solchen Fülle erreicht haben, wie ich es in meinem Berufsleben noch nicht erlebt habe.

Aber natürlich ist mir die Kritik Ihres Briefes nicht entgangen. Ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, und man kann den Fall Guttenberg auch genau so bewerten. Mein Leitartikel war eine relativ frühe Momentaufnahme, geschrieben einen Tag vor der völlig verunglückten Erklärung des Ministers vor dem Bundestag. Ich habe mich auch damals keineswegs unkritisch zum Vorgehen Guttenbergs geäußert und die Fälschungen in seiner Doktorarbeit mit keinem Wort gerechtfertigt. Ich bin nur zu einem anderen Schluss gekommen als Sie, und zwar aus einem einzigen Grund: Seit Jahren beklage ich die wachsende Kluft zwischen Bürgern und politischem Betrieb, zu dem auch immer mehr die Medien gezählt werden. Sie hat inzwischen ein furchterregendes Ausmaß erreicht und ist in meinen Augen auch ein Einfallstor für populistische Bewegungen und Politiker, wie wir sie in anderen Ländern beklagen. Karl-Theodor zu Guttenberg ist gewiss ein fehlerhafter Mensch und Politiker, aber ich kenne keinen anderen Vertreter einer demokratischen Partei, der es in den letzten zwei Jahrzehnten vermocht hätte, Menschen, die sich von der Politik ganz oder weitgehend abgewandt hatten, insbesondere junge, wieder für sie zu interessieren, ja sogar zu begeistern.

Deshalb hätte ich mir in der Tat gewünscht, dass Guttenberg zu halten gewesen wäre. Es gibt einen großen Teil der Bevölkerung in diesem Land, der sich durch seinen Rücktritt nunmehr in seiner Abneigung gegen Staat und Parteien nur bestätigt fühlt. Inzwischen weiß ich natürlich auch: Der Rücktritt war, schon alleine wegen der Handhabung der Affäre durch ihn selbst, unausweichlich.

Erlauben Sie mir aber bitte noch eine Anmerkung: Alle seriösen Medien in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen mit großer Heftigkeit auf Guttenberg eingeschossen. Auch die Redaktion der ZEIT besteht fast nur aus Guttenberg-Kritikern, die ihren Unmut auch in der Ausgabe äußern, in der ich meinen Leitartikel veröffentlicht hatte (siehe zum Beispiel Wissen S. 39 und 40). Ist es wirklich so unerträglich, wenn es eine abweichende Meinung dazu gibt? Gelegentlich fand ich in den vergangenen Tagen die Uniformität der Kritik und auch die Maßlosigkeit mancher Angriffe erschreckend.

Bleiben Sie uns bitte als kritischer Leser gewogen!

Mit freundlichen Grüßen bin ich

Ihr

Giovanni di Lorenzo

DIE ZEIT
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Eine Antwort zu Antwort von Giovanni di Lorenzo / „DIE ZEIT“

  1. Lustiges Anagramm auf Guttenberg – Zufall? 😉
    Aus „Karl-Theodor zu Guttenberg“
    wird „Eleganz ruht- Doktorbetrug“.
    Bildbeweis:
    http://www.synapsenkitzler.de/guttenberg-anagramm

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