In den letzten Zügen

Foto: DrJunge (wikimedia commons)

Die Deutsche Bahn AG ächzt nicht nur unter der Schneelast und dem verhinderten Börsengang, sondern auch unter dem eigenen Material. Zu den Weihnachtstagen muss sie alle verfügbaren Reserven aufbieten, um die Menschen in ihre Heimatorte (wie einst zum Zensus: „Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.“) zu bringen.

Da werden uralte Interregios mit nicht funktionierenden Heizungen und sich nicht öffnenden Türen aufgegleist. Durch ausgefallene Züge sind die verspäteten Züge unzulässig voll – immerhin, die Deutsche Bahn AG verspricht den stehenden Fahrgästen die 5 Euro Reservierungskosten für den ICE zu erstatten!

Doch sind nicht nur die letzten Züge das Problem: Die einst bei der Bahn beschäftigten Wartungstrupps sind seit Jahren entlassen bzw. längst „outgesourct“. Die Bahn ist „lean“ geworden – wenn man ein Verkehrssystem unter Renditekriterien betreibt, büßt es seine Zuverlässigkeit ein. Die beauftragten Kollegen aus der „freien Wirtschaft“ sind entweder überfordert oder haben bereits Feierabend – sodass die eingefrorenen Weichen nicht enteist werden können.

Und so steht man am Bahnsteig 10 in einem ICE, der nicht abfahren kann. Die Züge der anderen Gleise fahren alle ab. Zwischendurch werden sämtliche Fahrgäste an ein anderes Gleis beordert, um dort angekommen zu erfahren, dass auch dieser Zug wieder ausfällt. Erinnerungen an Jacques Tatis „Monsieur Hulot macht Ferien“ werden wach – nur dass es dort Sommer war. Zurück zum stehenden ICE. Die Verspätung beträgt bereits mehrere Stunden. Die Fahr- bzw. Stehgäste erhalten nur wenige Informationen über Lautsprecheransagen. Nein, das Bordbistro kann kein (heißes) Getränk anbieten – es ist nicht besetzt. Nein, Clowns hat die Bahn glücklicherweise nicht am Bahnsteig, um den resignierten Reisenden die „Zeit zu vertreiben“ – das wäre in diesem Falle die falsche Maßnahme. Doch dann, ohne Vorwarnung schließen plötzlich piepend die Türen und der Zug rollt an.

Welch ein Wandel von einer Werbeaussage einst „Alle reden vom Wetter, wir nicht!“ zu einer Bahn, die in diesen Wintertagen selbst empfiehlt, NICHT Bahn zu fahren! Das kommt denen entgegen, die Weihnachten einfach zu Hause bleiben und nicht mit Partnern, Kindern und Millionen anderen Völkerwanderern zu den Eltern aufbrechen. Dann gemütlich vor dem Kamin sitzen, etwas Heißes schlürfen, Chris Rea hören und das „Winter Special“ von ARD oder ZDF „Deutschland im Schneechaos“ sehen. Ja, das hat was!

Dieser Beitrag wurde unter Modernes Leben abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.