Beati pauperes spiritu (Matth. 5, 3 )

Wer Missstände im eigenen Lande kritisiert, wird dafür selten geliebt.

Schallte einem früher „Dann geh doch rüber!“ entgegen, wenn einem etwas nicht gefiel im eigenen Staate, so lautet mangels alternierendem Staatssystem heute oft die Antwort, dass es zB in den Nachbarländern ja noch „viel schlimmer“ sei.

Abschaffung der Atomkraft? Quatsch, das nächste AKW stehe doch im Elsass!
Freier Markt? Quatsch, England und Frankreich genierten sich so gar nicht zum Kauf nationaler Produkte aufzurufen und die USA erhöben ja sofort Schutzzölle!
Korruption? Quatsch, in anderen Ländern ist gang und gäbe!
Erpressung des Staates durch Unternehmen mit Drohung des Abbaus von Arbeitsplätzen? Quatsch, Dankbarkeit sei angesagt, man müsse ja nicht in Deutschland produzieren, andere Länder seien da entgegenkommender.

Angesichts solcher Selbstgerechtigkeit und nachlässigen Bemühens, den eigenen Verstand einmal über 10% Leistung auszunutzen, kann den interessierten Z(w)eitgeist schon einmal die Resignation angesichts solcher opportunen Meinungen anfallen.

Denn nichts ist schlimmer als die Zementierung grundsätzlich erkannter Missstände. Doch wird dabei nicht etwa die Existenz des Falschen und „Bösen“ bestritten, sondern der Wunsch nach Behebung.

Was dem Fass die Krone ausschlägt, ist die Tatsache, dass solche kurzbeinigen Argumente nicht etwa von BILD-Lesern und bildungsarmen Mitbürgern vorgebracht werden, sondern von Menschen mit fundierter oder gar akademischer Ausbildung.

Da kann der Z(w)eitgeist nur achselzuckend sein Glas austrinken, kopfschüttelnd heimgehen und darüber sinnieren, ob jeder Staat womöglich doch die Bürger hat, die er verdient – oder ob es genau umgekehrt sei.

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