Türgeschäfte

Im Gegensatz zu manch anderem Zeitgenossen habe ich eine hohe Achtung vor Menschen, die vor meiner Haustür stehen und mir etwas andienen wollen.

Möglicherweise ist das meinem beruflichem Interesse geschuldet, denn als Kommunikationstrainer sehe und höre ich immer genau hin in Verkaufssituationen, auch am Telefon.

So habe ich zB großen Respekt vor den Vertretern des Unternehmens „Vorwerk“, das ja seit Jahrzehnten seine Produkte nur im Direktvertrieb erfolgreich an den Markt bringt. Wie viel Geduld und „Frustrationstoleranz“ muss ein Verkäufer dieses Unternehmens haben, der von Tür zu Tür geht, um seine Staubsauger und Zubehör Menschen anzudienen, die alle bereits mindestens einen Staubsauger besitzen?

Natürlich gibt es auch ausgesprochen nervtötende Kollegen, wie zum Beispiel jenen, der als Behinderter alle zwei Jahre versucht, mir an der Tür völlig überteuerte Grußkarten zu verkaufen. Wenn ich höflich ablehne, poltert er meist schon bald, dass ich wohl etwas gegen Behinderte habe – und noch im Weggehen stößt er übelste Verwünschungen aus. Diese Art von Beeinflussung und Druck schätze ich nicht.

Vorgestern stand der jährliche Haustürbesuch eines Mitglieds der „Zeugen Jehova“ an. Unser Sohn hatte geöffnet und bereits freundlich mangelnden Bedarf mitgeteilt. Da mich Religionen aus erkenntnistheoretischer Sicht brennend interessieren, übernahm ich auch dieses Mal gerne das Gespräch.

Es entspann sich eine interesante Diskussion über „Gott und die Welt“, über die historischen Schrecknisse der christlichen Kirche, ihren anmaßenden monotheistischen Anspruch aber auch über die Möglichkeiten, Ethik jenseits eines religiösen Glaubens zu leben – mit einem durchaus sympathischen Mitdreissiger, der im Berufsleben Versicherungen bei der „debeka“ verkauft. So einer ist ja wie geschaffen, wenn es darum geht, andere Menschen von seinem „Produkt“ zu überzeugen.

Dass er sich am Ende des Gesprächs für einige interessante Anregungen bei mir bedankte, erfüllte mein Trainer- und Intellektuellenherz mit großer Freude. Ich bot dem jungen Kollegen generös im Gegenzuge die Aussicht auf einen Trainerjob, wenn er sich einmal beruflich verändern wolle.

Es geht doch nichts über ein gutes und intelligentes Gespräch und Menschen, die für Ihre – gleich welche – Überzeugung bereit sind, auf die Straße zu gehen!

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