Selbstbedienungsladen oder Bananenrepublik?

Ein Mann lässt sich scheiden und leiht sich angesichts knapper Kassen bei einer Freundin Geld für eine neues Einfamilienhaus. Daran ist nichts falsch.

Niemand in diesem unserem Lande möchte auf „Vitamin B“ verzichten und auch moderne Geschäftsleute vertrauen  „belastbaren Netzwerken“. Doch wenn man zum Beispiel katholischer Priester ist, muss man auf seine Womanizer-Talente verzichten oder wenn mal schwul ist, sollte man beser kein Knabeninternat leiten. Und wenn man sich gerne in der Welt der Reichen und Schönen suhlt, dann sollte man besser nicht für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren. Selbst als Ministerpräsident eines  Bundeslandes kann es kompromittierend sein, wenn der Ehemann der Geld verleihenden Freundin Unternehmer ist.

Doch angeblich hat Christian Wilhelm Walter Wulff  das Geld nicht vom Unternehmer selber geliehen, nur 500.000 Euro von dessen offenbar überaus solventen Frau. Somit kann ihm de jure niemand eine „Vorteilsnahme im Amt“ nachsagen. Auch hat er diese Transaktion dem Parlament nicht verheimlicht – nur hat er nicht die ganze Wahrheit gesagt. Dass der Unternehmer selber offenbar drei Mal mit ihm in einer Wirtschaftsdelegation ins Ausland gefahren ist, erfährt man am Rande.

Unglücklich für Herrn Wulff, dass ihm wenige Tage später just jener Unternehmer in den Rücken fällt, indem er der Presse mitteilt, das Geld sei doch von ihm – ein gut gehütetes Geheimnis verrät meist nur ein Enttäuschter.

Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens muss übrigens dem Finanzamt den geldwerten Vorteil eines verbillgten Mitarbeiterdarlehens seines Arbeitgebers versteuern – und das bereits  ab 2600 Euro, denn bei Mitarbeitern gehört der Unterschied zwischen dem Marktzins und dem vom Mitarbeiter zu zahlenden Zins als geldwerter Vorteil grundsätzlich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das Unternehmen hingegen muss die Zinseinnahmen versteuern.

Anstand und Respekt vorm Souverän, dem Volk?

Machen wir uns nichts vor: Wer an den Töpfen sitzt, ist besonders gefährdet. Doch im Warenhaus, SB-Markt oder Großhandel fliegt fristlos, wer sich selbst bedient, da reicht schon ein selbst eingelöster Kundenpfandbon oder eine Maultasche vom Tisch des Herrn!

Ein öffentliches (Staats-) Amt verlangt im besonderen Maße Korrektheit, ist man doch nicht nur Beispiel für Millionen, sondern hat vom Souverän das Vertrauen übertragen bekommen, seine Belange für eine definierte Zeit zu vertreten. Bereits Cicero hat in seinem Buch „De officiis“ geschrieben:

„Der Hauptgrundsatz aber bei jeder Besorgung einer öffentlichen Aufgabe und eines
solchen Amtes lautet, dass auch nur der geringste Verdacht auf Eigennutz
ferngehalten werden soll.“

Es macht eben einen Unterschied, ob man Lieschen Müller ist oder Frau Merkel. Doch der Respekt deutscher Politiker vor dem Souverän entwickelt sich reziproportional zur wachsenden Arrgoganz – letzteres ein erkennbarer Charakterzug bei Christian Wulff und manchem anderen Berufspolitiker. Wer aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt, dem mag die Welt des Glamours, der Schönen und der Reichen in der Tat anhängen. Doch werden gerade dann 500.000 Euro Leihgabe eine ungebührlich hohe Summe, bei der der der solchermaßen Begünstigte doch befürchten muss, dass ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht und dies nicht ohne Gegenleistungen bleiben kann. Auch die Soziologie lehrt, dass Geschenke die Beziehung zwischen Schenkendem und Beschenktem stärken sollen. Der Bürger schließt mithin von der Person auf die Amtsführung und mutmaßt zu recht, dass das Amt „beschädigt“ worden sein könne.

Das politische Amt als Selbstbedienungsladen?

Wieso, so fragt sich der unbescholtene Bürger, leiht sich Herr Wulff nicht einfach das Geld bei einer Bank, so wie das alle Bürger tun? Und warum schuldet er dann doch noch um, bevor er sein neues Amt als Bundespräsident antritt – und wird nun Gläubiger einer Bank im Süden Deutschlands, wo Freund Oettinger Aufsichtsrat sitzt? Dies alles ist nicht nur eine Frage mangelnden Fingerspitzengefühls, sondern auch Ausdruck eines zunehmenden Missverständnisses des politischen Amtes.

Es entsteht insgesamt der Eindruck, dass wer sich gut (alters-) versorgen möchte, am besten Berufspolitiker wird. Der Bürger wähnt zudem, dass das, was er erfährt, nur die Spitze des Eisbergs ist – wie gut dass es eine (fast) freie Presse gibt. Wir erinnern uns beispielsweise:

– Gerhard Schröder arbeitet heute für Gasprom
– Joschka Fischer für die andere Gaspipeline
– Herr Rürup gründet mit Herrn Maschmeyer ein AG
– Herr Riester referiert für viel Geld bei den Vertretern des AWD über die Riester-Rente
– Herr Hartz bedient seinen Betriebsrat in ungarischen Bordells
– Herr Schily wird Aufsichtsrat der Firma, die jene Ausweise herstellt, den er zu Amtszeiten eingeführt hat
– Herr zu Guttenberg erwirbt unrechtsmäßig einen Doktortitel

Mangelndes Fingerspitzengefühl oder fehlendes Unrechtsbewusstsein?

Wulffs Nähe zu Unternehmern brachte ihn in der Vergangenheit bereits in Erklärungsnot: Ein kostenloses Upgrade für sich und Familie (Wert rund 3.000 Euro) bei Air-Berlin-Flug und Ferien Mitte in der Villa des Unternehmers Carsten Maschmeyer. Und nach und nach veröffentlich Herr Wulff auf Druck der Öffentlichkeit hin scheibchenweise die Liste seiner Urlaube seit 2002 – fast allesamt in Ferienwohnungen befreundeter Unternehmer! Der letzte Urlaub gar als Präsident bei Maschmeyers. Man würde meinen, dass man sich bei ca. 200.000 Euro Jahreseinkommen doch wohl selber eine Fewo leisten können sollte!

Wie „arm“ muss ein Mensch sein, um sich so zu verhalten? In welchen Verhältnissen muss ein Mensch groß geworden sein, um solche Charakterzüge auszubilden? Und wie dreist oder wenig sensibel muss man sein, um sich selber, andere und sein Amt derart zu kompromittieren? Ist dies nicht ganz und gar das Verhalten eines neureichen, eitlen Parvenues, dem Würde und Anstand Fremdworte sind?

Weiß der Mann nicht um das alte ungeschriebene Gesetz des do ut des? Ahnt er nicht mögliche Abhängigkeiten? Geschenke und Opfer sind ein uraltes Ritual. Ein Geschenk erfordert die Gegegengabe. Und manche Gabe erweist sich als Danaergeschenk. Zudem, was soll man von einem so hohen Politiker halten, der einen dubiosen Herrn Maschmeyer zum Freunde hat – der Herrn Wulff zudem noch kostenlose Anzeigen für sein Buch spendiert hat, wie wir just erfahren?

Oder ist dies alles ist nichts als der diskrete Charme der Bourgeoisie, ein typisches Anzeichen eines niedergehenden maroden, dekadenten Staatssystems? Und ist Herr Wulff ist somit letztlich nicht mehr als das Abziehbild der herrschenden Verhältnisse, wo Egomanen, Selbst-Optimierer, Gegenwartsegoisten das Land dominieren – von Gemeinschaft, gar Solidargemeinschaft weit und breit keine Spur? Bevor noch der letzte Bürger zynisch wird und an seinem Staate verzweifelt, gibt es jetzt nur noch eine Lösung: Rücktritt und „den Schaden vom Amt abwenden“ – die Alterversorgung ist ohnehin gut geregelt.

Viel wurde in den vergangenen Monaten über einige faule und korrupte EU-Mitgliedsstaaten geschimpft. Oft hört man über entfernte Staaten der Dritten Welt das böse Wort von der „Bananenrepublik“. Wir sollten besser vor unserer eigenen Tür kehren (Bibelfeste mögen auch auch Mat 7, 3 konsultieren)!

Menschen sind fehlbar, allerorten. Es lässt hoffen, dass in Deutschland noch nicht alle Medien gleichgeschaltet sind und strenger mit Politikern verfahren wird, als in unseren Nachbarstaaten.

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Eine Antwort zu Selbstbedienungsladen oder Bananenrepublik?

  1. Olaf Beuermann Oliven-olly sagt:

    Eindeutig Bananenrepublik, wer Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit propagiert, muss das auch an sich selber anwenden.
    Sorry Herr Wulff. Treten Sie zurück. Schaden Sie nicht weiter dem Amt des Bundespräsidenten. Dieses ist dem Amt unwürdig.

    Zu den anderen „Herren“ Politikern in dem Artikel. Verzichten Sie auf Ihre Pensionen. Das grenzt nicht nur an Korruption, es stinkt danach.

    Von mir aus kann man die Diäten der Politiker noch deutlich erhöhen, aber nach dem Ausscheiden aus Ihren Ämtern dürften sie 10 Jahre nicht woanders tätig sein.

    Das hätte was…… stumme ,arbeitslose Politiker……

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