Über die Kommerzialisierung des Alltagslebens

Am 31. Oktober klingelte es bei uns abends an der Tür. Meine Frau öffnete. Vor der Tür standen Kinder im Halloween-Ornat und verlangten nach Süßem. Meine ansonsten sehr konziliante Frau lehnte freundlich aber bestimmt ab: „Wir machen da nicht mit, aber ihr könnt gerne zu Nikolaus wiederkommen, dann gibt es was!“

Nicht nur werden inzwischen nahezu alle Feiertage zu kommerziellen Festen aufgewertet, so dass man aus dem Geschenkekaufen gar nicht mehr herausfindet, sondern auch alle anderen Ereignisse im Leben eines Menschen werden ausführlichst gefeiert, sei es Geburtstag, Kommunion, Konfirmation, Abitur, Master, Verlobung, Hochzeit oder der jährlich wiederkehrende Hochzeitstag. Natürlich wird auch der Abschied der sich immer häufiger für Monate oder Jahre ins Ausland verabschiedenden Brut gebührend gefeiert.

Den Umsatzdurchhänger zwischen Weihnachten und Ostern füllt zunehmend der „Valentinstag“. Ostern selbst ist geschenkemäßig fast zu Weihnachten mutiert und damit es zwischen Pfingsten und Halloween nicht langweilig wird, fräst man sich mit Feiern zu Beförderungen, Ein- und Ausständen, Stühlerücken, besonders gerne aber auch mit Taufen und Einschulungen, bei der die gesamte Großfamilie bereits Stunden vorher zehn Plätze in der ersten Reihe festhält („Hier ist besetzt!“) bis Weihnachten durchs Jahr.

Diese Rituale werden immer kostspieliger. Man zeigt, was man hat oder sich zumindest wirtschaftlich in der Lage zu leisten ist. Auf diese Weise stiftet man sich den abnehmenden Sinn des Lebens zunehmend selbst. Floristik, Süßwarenindustrie, Gastronomie und Einzelhandel profitieren zunehmend von diesem Selbstinszenierungstrend. Summa summarum kommt der moderne Mensch auf diese Weise locker auf (eigene) zehn Feiern pro Jahr. Rein rechnerisch verschenken die Deutschen jedes Jahr Geschenke im Wert von rund 27 Milliarden Euro.

Am Ende steht bei allen dann die Beisetzung.  Zwar nimmt auch hier die Kreativität des Rituals zu, doch schwächelt es kommerziell noch deutlich gegenüber den vorgenannten Feierlichkeiten. Angesichts der Finalität des Lebens und der damit verbundenen Feierei will da wohl auch kein Sterblicher so richtig ran, vielleicht auch ganz egoistisch, weil er daran nicht mehr selber aktiv partizipieren kann. Aber warten wir es mal ab, das kommt auch noch dran!

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