Am Sonnabend – und natürlich auch später – hatten die Medien kaum noch eine andere Nachricht, als die Bestätigung einer Verbindung von Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht.
Wie toll, als wenn es nichts Wichtigeres zu berichten gebe. Doch sehen wir uns das Szenario einmal genauer an:
Da ist ein Politiker, der jetzt seine dritte Ehe abbricht, um mit einer neuen Frau einen vierten Versuch zu starten – anders kann man es ja wohl nicht nennen. Bei der Ankündigung vor den versammelten der Partei gab es einen lang anhaltenden Applaus. Das muss ich jetzt nicht unbedingt verstehen. Der Mann ist nicht fähig, eine langfristige Verbindung, die auf Toleranz und Kompromissbereitschaft aufgebaut ist, eine Gemeinschaft, die Vertrauen braucht, einzugehen – und alle applaudieren, wenn sie auseinanderbricht! Er ist noch verheiratet, und sie ist noch verheiratet, und beide offenbaren in der Öffentlichkeit ihren neuen gemeinsamen Weg.
Die Presse zerreißt sich die Mäuler und hat endlich mal wieder ein Thema. Wahrscheinlich gelten meine Frau und ich (wie auch zum Glück noch einige andere Ehepaare mehr) als Spießbürger, die zu faul sind sich auf Veränderungen einzulassen, weil Sie es schon über 30 Jahre miteinander aushalten. Sie haben sich auf diesen gemeinsamen Weg gemacht unter dem Motto: Bis der Tod Euch scheidet – in guten und in schlechten Tagen. Sicher ist nicht jeder Tag „Friede, Freude, Eierkuchen“; aber das geht auch nicht; denn jede/r ist ein individuelles Wesen mit eigenen Erlebnissen und eigenen Vorstellungen. Nur mit der erforderlich Toleranz und Anerkennung der eigenen Meinung ist so ein Leben möglich.
Da applaudieren Hunderte von Menschen, wenn so ein Bündnis mal wieder in die Brüche geht – und er und sie weiden sich in der Menge, obschon beide noch einen Partner an ihrer Seite haben, dem sie ein Versprechen für die gemeinsame Zukunft mit auf dem Weg gegeben haben.
Das muss ich jetzt nicht wirklich verstehen. Selbst regionale Sender konnten nicht umhin, dieses Ereignis mehrfach über den Äther zu senden. Doch ich verstehe langsam, warum unsere Zeit für die junge Generation so arm an wirklichen Vorbildern ist.
Hans-Werner Kleindiek