Schweinegrippe

Die Spanische Grippe, die im Jahre 1918 ausbrach, hat angeblich binnen weniger Jahre 25 bis 50 Millionen Menschen umgebracht.

Bekanntlich kann unser Körper mit gefährlichen Situationen dann besonders erfolgreich umgehen, wenn er sie bereits einmal durchlebt hat. Das gilt auch für Krankheiten, die der Körper nun deuten und bekämpfen kann. Ergo verhält sich unser Körper nicht wesentlich anders als unser Bewusstsein. (Gegen unbekannte Gefahren sind wir zunächst weitgehend machtlos, wobei die moderne Medizin Seuchen zweifelsohne besser in den Griff bekommen kann als einst.) Wer also nicht umkommt, weiß in Zukunft mit dem Bösen besser umzugehen.

Es hat im Laufe der Evolution vieler innerer und äußerer Attacken auf den Menschen bedurft, um das zu werden, was wir heute sind. Immer wieder geht es darum, die Homöostase (siehe Blogbeitrag vom 21. Oktober 2009) neu zu finden.

Seuchen sind keine Krankheit, sondern ein Angriff auf eine ganze Spezies. Sie lassen daher traumatische Spuren im kollektiven Gedächtnis zurück.

Was einst in Folge von Seuchen das „Memento mori“ war, übernimmt heute die Gesundheitsindustrie, die uns ständig an den gefährdeten Körper erinnert. Krankheiten sind nicht mehr normal und hinnehmbar, sondern werden mit technischem Aufwand im Vorfeld verhindert. (Der geneigte Leser ahnt schon an dieser Stelle, welch Folgen das haben kann.)

Der moderne Mensch möchte eben am liebsten ewig leben und am besten dauerhaft gesund. Denn das Leben kann man in vollen Zügen nur als Gesunder genießen. Dabei hat die Natur ununterbrochenes Wohlbefinden gar nimmer vorgesehen.

Kümmerte sich einst der Klerus um die Seele, so versucht die Medizin ihresgleichen für den Körper zu leisten (die staatliche Schulpflicht kümmert sich angeblich um den Geist). Dass Epidemien besonders über die sündigen Menschen kommen, dieses Gerücht schürt wiederum gern der Klerus.

Seuchen nahmen in dem Maße zu, wie der Mensch mobiler wurde. Die Reichweite von Erregern heute nimmt globale Formen an (erinnern Sie sich noch an BSE oder SARS?). Damit wird der Abstand, der beste Schutz der Spezies Mensch, nahezu hinfällig. Einst wie heute versucht man daher epidemisch Erkrankte zu separieren: Isolierstation.

Leben einzelne, lokale Populationen mit gefährlichen Erregern in friedlicher Koexistenz, so kann dieser Mitglieder aus fremden Populationen innerhalb kürzester Zeit dahinraffen. Man erinnere sich an die spanischen Eroberer, die gezielt verschneuzte Taschentücher auslegten, weil man mitbekommen hatte, dass eine einfache Rhinitis die Indianer umbringen konnte – eben weil solche Viren in deren kollektiven Ursuppe nicht gespeichert waren. Westeuropäische Besucher ferner Länder heute sind wiederum überaus anfällig gegen Keime, an denen die authochtone Bevölkerung selber nicht (mehr) erkrankt (Stichwort: „Montezumas Rache“).

Und so wird das Fremde einmal mehr Symbol der äußeren wie der inneren Bedrohung:“Fliehe bald, fliehe weit, komm spät zurück – das sind drei Kräuter in der Not!“ (Hippokrates)

(Diese Gedanken basieren auf einem versierten Beitrag von Arnulf Marzluf im Weser-Kurier.)

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