Das Ritual leitet sich aus dem Lateinischen Wort „ritus“ ab. Dort bedeutet es „feierlicher, religiöser Brauch, Zeremoniell“. Jede Kultur hat ihre Rituale, Zeremonien oder Kultur.
Der moderne Mensch kann die Komplexität der Welt nur schwer verarbeiten. Deshalb ist er auf Rituale angewiesen. Rituale geben Orientierung. Auch unser modernes Leben ist in eine Vielzahl von Ritualen eingebettet. Von der Wiege bis zu Bahre ist es von Ritualen begleitet: Taufe, Geburtstag, Hochzeit, Beerdigung. Rituale symbolisieren den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt.
Zusätzlich zum Gefühl der Macht und Geborgenheit, die eine soziale Gruppe bietet, ist das Ritual eines der stärksten Attraktionen einer Gruppenmitgliedschaft.
Naturgemäß wird die Anzahl der Gratulanten zu einem Geburtstag mit zunehmenden Jahren geringer. Doch nicht nur die ablebensbedingten Ausfälle reduzieren die Grantulantenschar, sondern auch eine zunehmende Entfremdung kann hinreichender Grund dafür sein, dass jemand davon absieht, seine Glück- und Segenswünsche fürderhin zu übermitteln.
Der zu Beglückwünschende wird dann allerdings über die Gründe im Unklaren sein. Hat man ihn nur vergessen? Oder hat man bewusst darauf verzichtet? So ein schleichender Austritt aus einer Freundschaft erübrigt ein klärendes Gespräch. Nicht jeder hat den Mut dazu.
Vielleicht ist es aber gar nicht feige, sondern vielmehr feinfühlig? Arthur Schnitzler schrieb dazu: „Toleranz: Die Fehler des anderen entschuldigen
Takt: Sie gar nicht erst zu bemerken.“
Möglicherweise liefern die Nicht-Gratulanten aber auch einen willkommenen Grund, sich seinerseits nun auch nicht mehr bei jenen zum Wiegenfeste melden zu müssen – und ihm ist damit eine schwere Last genommen.
Es gibt aber auch alte Kameraden, die sich allen abgebrochnene Brücken zum Trotze anlässlich der Feiertage einstiger Freunde weiter, penetrant bei diesen zu melden. Und wer hat schon den Mut, sich dessen zu erwehren?