Schwarzwälder Kirschtorte

Zugegeben: Ich esse gerne Schwarzwälderkirschtorte. Meine Schwiegermutter beherrscht sie perfekt.

Aber stellen Sie ich einmal folgendes Szenario vor: Sie öffnen eines nachmittags Ihren Kühlschrank und finden dort eine prachtvolle Schwarzwälderkirschtorte vor. Nehmen wir einmal der Einfachheit halber an, Sie wohnen alleine, also kann dieses Prachtstück nur für Sie sein, so dass Sie sich, ohne über den edlen Spender lange nachzudenken, flugs ein schönes Stück davon nehmen und sogleich verspeisen. Es ist die beste Schwarzwälder­kirschtorte, die Sie seit langem gegessen haben!

Weil es so gut war, nehmen Sie gleich noch ein Stück. Es schmeckt fast noch besser. Ein drittes schaffen Sie allerdings nicht. Am nächsten Tag nehmen Sie wieder ein Stück. Fast könnte man meinen, dieses Stück schmecke noch besser, weil die Torte nun gut durchgezogen ist.

Und so verfahren Sie Tag um Tag, bis die Torte ratzeputz weg ist.

Doch schon einen Tag später steht wie von Zauberhand wieder eine neue Schwarzwälder­kirschtorte in Ihrem Kühlschrank. Sie freuen sich. Dieses Mal dauert es ein Ideechen länger, bis sie ganz vertilgt ist.

Als dann die dritte Korte im Kühlschrank steht, sind Sie nicht mehr ganz so begeistert wie bei den ersten beiden. Jeden Tag Schwarzwälderkirschtorte ist nun auch etwas übertrieben. Nun gut, Sie nehmen ein Stück und essen ist. Gut wie immer, aber ein zweites Stück hinterher, nein, das geht beim besten Willen nicht.

Da Sie zur sparsam erzogenen Nachkriegsgeneration gehören, in der gleichzeitig elterlicherseits noch der liebe (?) Gotte bemüht wurde, wenn man das Pausenbrot weggeworfen hatte, zwingen Sie sich, auch diese zu Ende zu essen.

Aber danach muss es für Sie vorläufig keine weitere Schwarzwälderkirschtorte sein. Doch unversehens steht eine vierte Schwarzwälderkirschtorte in Ihrem Kühlschrank. Sie ignorieren sie einfach einige Tage. Als der Hunger sie zwingt, essen Sie ein Stück. Es ist nicht schlecht, aber löst keine Begeisterungsstürme mehr Ihrer Geschmacksknospen aus, die Synapsen feuern nicht.

Bei der fünften Schwarzwälderkirschtorte ist für Sie dann aber endgültig Schluss. Kein Stück mehr davon bringen Sie runter. Doch jeden Morgen, wenn Sie die Kühlschranktür öffnen, schaut Sie eine Schwarzwälderkirschtorte an. Furchtbar! Sie bekommen Aversionen und Aggressionen. Ignorieren geht nicht. Wegwerfen geht nicht (siehe oben).

Sie beschließen, die Schwarzwälderkirschtorte einfach zu verschenken. Eine gute Idee! Das wird sicher eine Weile gut gehen, jedoch nur solange, bis auch Ihr Freundeskreis keine Schwarzwälderkirschtorte mehr mag!

Was nun? Was tun? Ignorieren? Einen neuen oder zweiten Kühlschrank kaufen? Ausziehen? Den Schweinen geben? Sie haben doch gar keine!

Was auch immer Sie tun, Ihre Lust auf Torten ist vorerst auf dem Nullpunkt. Sie träumen stattdessen von etwas Herzhaftem. Saure Gurken, meinetwegen, Schwartenmagen, Sülze oder ein Leberwurstbrot. Alles, nur keine Schwarzwälderkirschtorte!

Harald Schmidt hat einmal gesagt: „Die größte Pointe ist ungesagt, die Pointe, die vom Zuschauer zu Ende gedacht wird.“

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