Nun füllen sie jeden Tag vermehrt die Briefkästen: Weihnachtsgrüße und Neujahrwünsche in jeder Form und Farbe, standardisiert oder individuell und kreativ gestaltet.
Welch schöne Tradition, die auch unabhängig vom jahreszeitlichen Anlass zu anderen Zeiten des Jahres meine Zustimmung finden würde: Was gibt es Schöneres, als gute Wünsche zu versenden oder entgegenzunehmen?
Doch was soll jemand, der dem christlichen Glauben nichts abgewinnen kann, seinen Mitmenschen wünschen? „Frohe Weihnachten“? Das wäre dann doch etwas blasphemisch!
Aber an guten Wünschen für besinnliche und erholsame Tage sowie ein gutes Neues Jahr soll es meinerseits indes nicht mangeln: Ich wünsche Ihnen all das, was Sie sich selber wünschen! Oder besser noch, wie es auf dem Spruchband eines jahrhundertealten Niedersachsenhauses von Netzwerkpartner Jochen Voigt in Syke-Gessel geschrieben steht:
„All denen, die mich kennen, denen gebe Gott, was sie mich gönnen.“
Suesser die Kassen nie klingeln. Das erste Mal in meinem Leben verbringe ich die Weihnachtstage
nicht in Deutschland. Ich war gespannt darauf zu erfahren, wie es sich anfuehlt, wenn man nicht dem Weihnachtsterror ausgeliefert ist.
In Thailand gibt es 0,6% Christen, eine verschwindende Minderheit also, in einem buddhistischen Land. Also kein Weihnachtsterror und „Jingel Bells“ Gedudel?
Weit gefehlt. Wie in den Kaufhauesern zuhause, ueberdimensionale Weihnachtsbaeume aus Plastik und „Jingle Belle“ Gedudel aus den Lautsprechern allenthalben. Ein Beweis dafuer, dass das ganze Weihnachtsgetoese nichts mit dem christlichen Glauben zu tun hat.
Hier in Thailand wimmelt es zur Zeit von „Farang“, so nennt man hier die Auslaender. Sie kommen wohl mehrheitlich um dem Schmuddelwetter in Europa zu entfliehen. Vielleicht aber auch um bewusst dem weihnachtlichen Konsumrausch zu entgehen. Aber sie haben keine Chance, wie in ihrem Heimatland wird gnadenlos alles daran gesetzt um den Konsumenten in Kaufstimmung zu versetzen. Selbst im Fernsehen wird mit Santa Claus und Schneegestoeber Werbung gemacht.
Zuhause in meinem Heimatort waren die Geschaefte schon im Oktober mit Weihnachtsartikeln vollgestellt. Man hat den Eindruck, das geschieht in jedem Jahr frueher. Am Heiligen Abend sind die Gottesdienste ueberfuellt. Aber bei den sonntaeglichen Gottesdiensten herrscht gaehnende Leere. Ich vermute, dass ein grosser Teil der Leute im Weihnachtsgottesdienst gar nicht mehr Kirchenmitglieder sind. Ist ja auch freier Eintritt.
Sprecher des Einzelhandels mokierten sich ueber das milde Vorweihnachtswetter. Das haette den Umsatz geschmaelert, weil Wintersachen in den Regalen liegen blieben. Weihnachten ein Fest des Konsums. Die Kinder bekommen suendhaft teure Smartfones, statt Puppenstube und Stabilbaukasten zu Weihnachten geschenkt. Die Wirtschaft brummt, dank niedriger Zinsen wird das Geld lieber ausgegeben.
Auch andere, nicht traditoinelle Feste werden aus den USA uebernommen. Halloween, Valentinstag etc. kurbeln das Geschaeft an. Aber denken wir an die Arbeitsplaetze und die florierende Wirtschaft. Uns soll es ja auch in Zukunft gut gehen. Wachstum ist das goldene Kalb um das wir tanzen. An alle die immer noch an Weihnachten, das Fest der Liebe und die Geburt von Jesus glauben: Frohe Weihnachten!
Lieber Dieter,
trefflich formuliert!
Und doch sind solche Festtage mit Geschenken wichtig – ohne dass das in Konsumterror ausartet.
Der uralte Geschenkekult ist auch heute noch bedeutsam, denn er hält die Gesellschaft im innersten Kern zusammen. Geschenke stiften Verbindlichkeit und Vertrauen zwischen denen, die fürs Überleben aufeinander angewiesen sind: Jung und alt, Mann und Frau, stark und schwach, gesund und krank. So gab es zB bei den Indianern das Potlach-Prinzip: Es ist unter den indianischen Gesellschaften in den Küstenregionen des nordwestlichen Amerika als das „Fest des Schenkens“ bekannt.
Das Geschenk war es, das mit dem Ritual des Gebens und Nehmens das Hauen und Stechen, das Kämpfen und Töten also, ablöste. An die Stelle
des Opfers trat die Gabe. Man demonstriert dem Beschenkten damit auch seine (wirtschaftliche) Leistungskraft.
Beim Geben gibt man einen Teil von sich und im Nehmen der Gabe macht man eine Fremderfahrung des Anderen. Dass Schenken den Schenkenden unter einen Zwang stellt und beim Nehmenden eine Schuld erzeugt, darauf deutet noch heute das englische Wort „gift“ hin. Das Geschenk erzwingt die Gegengabe, denn sonst beschämt die Gabe den Beschenkten und macht ihn damit zum Schuldner wider Willen. Das nennt man auch Reziprozität. Doch das Hauptmerkmal von Gaben ist, dass sie zwar einen Wert aber keinen Preis haben – deshalb entfernen wir ja bei Geschenken auch tunlichst immer vorher das Preisetikett.
Und deshalb schenkt man wohl auch zu Weihnachten. Man schenkt, obwohl man das Geld eigentlich viel (eigen-) nützlicher verwenden könnte. Doch man versichert sich damit der Sympathie des Anderen. In kleinen Gemeinschaften wie der Familie wird jedoch nicht aufgerechnet, gerade weil die wertvollsten Dinge im Leben weder verkauft, noch mit Geld aufgewogen werden können – eine Reziprozität ist hier weder gewünscht noch wichtig – Freundschaft zum Beispiel ist nicht handelsfähig.
In diesem Sinne – frohes Fest!