Im Zuge der Miniaturisierung und Digitalisierung ist der Aufwand, ein Foto zu machen, immer geringer geworden.
Wenn einmal Wesen von fernen Galaxien unseren dann ausgebrannten Planeten betreten und sie die heutigen Datenformate interpretieren können, dann wird es ihnen ein Leichtes sein, das Leben auf Erden nachzuvollziehen – da haben es die heutigen Archäologen wesentlich schwerer.
Es gibt nichts, was nicht tausendfach und von jedem abgelichtet wurde. Inzwischen wird bei jeder Veranstaltung mehr fotographiert und gefilmt als jemals zuvor, als es noch den Beruf des Fotographen gab. Dass man dabei das Ereignis an sich weitestgehend versäumt, weil man sich ja auf die Aufnahme konzentrieren muss, ist den meisten wohl nicht bewusst. Ganz gleich, ob Geburt, Taufe, Konfirmation, Hochzeit, man lichtet alles mit inzwischen hochgehaltener (wer schaut schon noch durch einen Sucher?) Kamera ab und verpasst das Wesentliche. Egal, man hat ja alles in Ton und Bild aufgezeichnet!
Was geschieht nur mit den Billiarden Bildern? Unsere Generation der analogen Fotographie war ja schon nicht in der Lage, die 12, 24 oder 36 Fotos eines Films nach Entwicklung und Ausdruck von Abzügen ordentlich aufzubewahren. Die meisten Fotos lagern in Schuhkartons o. ä. Immer wollte man sie schon einmal sortieren.
„Mal sehen, wie das auf dem PC zu Hause rauskommt„, meint ein Vater beim Klassenausflug der Klasse seiner Tochter zum Minigolfspielen im Schwarzlicht beim Fotographieren mit seinem iPhone. Statt bei der Sache zu sein, im Augenblick zu verweilen, ist er schon mit seinen Gedanken in der Zukunft. Dass er mit einem iPhone niemandem mehr imponieren kann, sollte er wissen. Aber vielleicht kann er ja Freunden und Bekannten Bewunderung abringen, dass er bereits dieses neue Freizeitangebot besucht hat? Ja, so wird es sein: „Mein Haus! Mein Boot! Meine Frau!“
Doch das Abbild ist etwas ganz Anderes als die Sache selber („Ceci n’est pas une pomme!„). Vor lauter Dokumentation bringt er sich selber nahezu ganz um den Genuss des kostbaren und unwiderruflichen gemeinsamen Augenblicks. Einmal mehr hat die Quantität über die Qualität gesiegt: Alles, was „Masse“ ist, ist nicht wirklich gut.
Wie schade, denn uns gehört nur der Augenblick, und wir sind nur in diesem ganz bei uns und beieinander.
P.S.: Neuere Experimente haben nachgewiesen, dass Leute, die häufig ihre Kameras hervorziehen, um einen Moment einzufangen, gar nicht richtig mitbekommen, was da passiert. Bei einem Gedächtnistest konnten sich die fotografierenden Studienteilnehmer an weniger Objekte erinnern als diejenigen, die diese nur mit ihren Augen betrachtet hatten. Und wo sie sich erinnern konnten, fielen ihnen weniger Details ein. Wer also ständig fotografiert, ist leider gar nicht bei der Sache – wie schade!