Heute möchte ich den vierten und letzten meiner einstigen Volksschulehrer vorstellen: Walter Theis, den ich als ausgeglichenen, gut vorbereiteten, versierten Lehrer der naturwissenschaftlichen Fächer in Erinnerung habe. Für uns Schüler war er damals ein junger und „moderner“ Lehrer – im Gegensatz zu den drei älteren Kollegen, Heinz (Moppel) Rusch, Victor Guth oder Elsa Schmidt.
Dieter Osmers schreibt über Walter Theis:
„In der kleinen Dorfschule war vieles möglich, was anderswo undenkbar war. In manchen Stunden in der 7. oder 8. Klasse hat er gemütlich rauchend mit uns über Themen gesprochen, die ich als „Lebenskunde“ bezeichnen würde. An diese Unterrichtsstunden denke ich heute noch gerne zurück. Er hat fairerweise aber immer gefragt ob wir etwas gegen sein Rauchen in der Klasse einzuwenden hätten. Die grüne Packung „Eckstein“ war immer griffbereit.“
Mag sein, dass er auch mal mit Kreide oder Schlüsselbund geworfen hat, wie Thea Bödecker mir einmal schrieb:
„Bei Herrn Theis bin ich mal in der 3. Klasse vor Langeweile eingeschlafen. Da hat er mich mit seinem Schlüsselbund geworfen und unsanft geweckt. Erschrocken wie ich war habe ich im Affekt zurückgeworfen und ihn an seiner unbehaarten Denkerstirn getroffen. Den Rest des Vormittages habe ich mit dem Rücken zur Klasse in einer Ecke verbracht.“
Ich kann selber mich an solche Vorfälle nicht erinnern. Alle 14 Tage kegelte Lehrer Theis mit meinem Vater und einigen anderen „Honoratioren“ des Ortes in Sillingers Gasthof auf dessen neuer „Bundeskegelbahn“. Vielleicht hat er mich deshalb gut behandelt? Oder lag es daran, dass meine Mutter die Lehrer der Volksschule Sagehorn in deren Bemühungen unterstützte, den Sagehorner Schülern das Schwimmen im Bremer Zentralbad beizubringen? Nein, er gehörte ganz einfach zu jenen Pädagogen, die sich auch ohne Gewalt gegen Kinder Respekt verschaffen konnten.
Nur einmal war er wütend auf Frank Motulla und mich, weil wir seine Naturkundestunde geschwänzt hatten. Wir waren unaufgefordert zum „Wasserschüppen“ in den Kokskeller gegangen – da drang wohl das Grundwasser immer wieder ein. Normalerweise war das die Aufgabe jener Schüler, die man als „hoffnungslos“ aufgegeben hatte – soweit zum pädagogischen Bemühen damals. Den Satz, den Theis uns beiden danach an den Kopf warf, kann ich noch heute auswendig: „Ich werde Euch den Pinsel schon heben!“ Damals wussten wir noch nicht so ganz genau, was er damit meinte.
Ich meine, Walter Theis stamme aus der Vorderpfalz, geboren irgendwo an der Nahe -möglicherweise rührt da auch seine Nibelungenverbundenheit her: Seine beiden Kinder heißen Gunther und Ute – Sohn Gunther hat vor kurzem ein sehr persönliches Buch (ISBN 978-3-939531-59-3) mit Texten und Aquarellen über Sagehorn veröffentlicht: „Wat wöör dat fröher schön!“
Von der Nahe brachte Walter Theis regelmäßig Wein mit, den auch meine Eltern, besonders meine Mutter, gerne tranken – vermutlich eine süße Spätlese. Selber war Walther Theis wohl mit dem Opernsänger Fritz Wunderlich zur Schule gegangen. Das hat er uns jedenfalls ab und zu erzählt und mit Begeisterung von diesem wunderbaren Sänger gesprochen.
Als Karl-Heinz („Hähnchen“) Ahlhorn mit seinem Fiat 600 einen letzten lebensgefährlichen Unfall gebaut hatte, hat Walter Theis ihn selbstverständlich im Krankenhaus besucht. Und dass, obwohl der schon lange „aus der Schule“ war.
Viele Jahre (von 1953 bis 1982) war Walther Theis verdienter Chorleiter des „Liederfreund Sagehorn„. Später übernahm er die neue Oyter Schule als Rektor. Walter Theis hat sich in jeder Hinsicht um die Menschen und den Ort Sagehorn verdient gemacht. Einen Orden hat er dafür mE nicht bekommen. Hätte er aber verdient. Meinen Respekt und Dank hat er allemal.
Moppel Rusch war eher der Schlüsselbundwerfer. Sein Schlüsselbund war riesig.
Moppel war ja Hauptlehrer und gleichzeitig sowas wie Hausmeister. Er wohnte ja auch in der Schule.
Wer den Schlüsselbund an den Kopf bekam, war garantiert wach.
Hauptlehrer Rusch hat unzählige Male einen Schüler zu seiner Frau geschickt um Hammer und Nagel zu holen. Dann hat er eigenhändig den Nagel in den Türrahmen geschlagen, um daran seine Jacke aufzuhängen.
Er schickte auch öfters Schüler zu Tante Erna um Apfelsinen zu kaufen.
Die verspeiste er dann genüsslich während des Unterrichts. Mir lief immer das Wasser im Munde zusammen. Apfelsinen bekam ich nur zu Weihnachten.
Ja, daran kann ich mich auch erinnern: Der Türrahmen muss am Ende ziemlich zersemmelt gewesen sein von all den Löchern!
Schöne Erinnerung mit den Apfelsinen, hatte ich ganz vergessen! Das hat manchmal bis in die hinterste Reihe gespritzt. Danach heftiges Magengrummeln bei ALLEN Schülern!
Ich hatte Herrn Theis als Rektor und Klassenlehrer in der Grundschule Oyten ,2.bis 4.Klasse.Er hat mein Leben sehr geprägt,ich oder wir alle in der Klasse hatten grossen Respekt vor Ihm.Schade das diese Art von Lehrern ausstirbt oder besser ausgestorben ist!
Es ist so schön zu lesen, wie beliebt er als Lehrer war. Und als Opa, das kann ich einfach so sagen, ist er ganz wundervoll. Rauchend hab ich meinen Opa nie erlebt, im Gegenteil, ich muss mir da eher die Belehrungen anhören, aber ich kann mir gut seine Art zu sprechen vorstellen, wie er da im Klassenzimmer sitzt, und vom Leben erzählt; dieser Stunden hatte ich viele im Wohnzimmer bei Tee und dem ein oder anderen Stück Süßem.
Aber keine Angst, es sind noch junge Lehrer da, die gute Vorbilder haben. Und ich werde als Lehrerin sicher nie meinen Opa aus dem Kopf verlieren.