Ob auf der Innenalster im Hamburg oder dem Werdersee in Bremen, immer wenn große Wasserflächen zufrieren, sind die Bürger wie entfesselt. Jeder will einmal aufs Eis. Es entsteht dort auf der Mitte des Sees in der Tat eine völlig neue Perspektive.
Das Eis auf dem Werdersee ist inzwischen bestimmt 30 cm dick – das trägt tausende von Menschen.
Das Ganze hat teilweise Volksfestcharakter. Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel, mit und ohne Schlitten, mit Schlittschuhen oder mit Schuhen, mit Eishockeyschlägern und Pucks, alle sind auf dem Eis. Hinzu kommen die viele Gruppen von „Kohl- und Pinkelfahrern“.
Mancher sieht mit Langläufern an den Füßen und gekreuzten Händen auf dem Rücken gemächlich seine Bahn, andere flitzen mit modernen Kunsteislaufschuhen über den See. Ein älterer Herr hat noch hölzerne „Holländer“ unter den Schuhen, mit Lederriemen festgeschnallt – das war immer schon eine wackelige Sache.
Was fasziniert die Menschen so an einem zugefrorenen See? Da finden sich Menschen ein, die man sonst nie zu Gesicht bekäme. Nie würden sie etwa im Sommer „joggen“. Aber wenn die Semkenfahrt „auf“ ist oder der Werder „zu“, dann sind sie alle da.
Die Stimmung ist gelöst, fröhlich, nirgends entladen sich aufgestaute Aggressionen. Vom nahen Weser Stadion wabern ab und zu kollektive Aufschreie, Beifall oder „Tor!“-Rufe herüber – ein Radio brauchtman hier nicht.
Es geschieht im Schnitt nur alle zehn Jahre, dass der Werdersee zufriert. Morgen friert es noch, danach ist der Spaß vorbei – ein Tiefdruckgebiet mit Regen naht. Also, noch einmal die Schlittschuh untergeschnallt! Einmal hin und zurück über den Werdersee!