Häufig vernimmt man, besonders aber in den letzten Jahren, die Forderung nach Vorbildern in Politik und Wirtschaft. Gerne werden Namen wie Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gustav Heinemann genannt.
Hinter dem Wunsch nach einem Vorbild, steht die Idee, jemand möge – stellvertretend für mich – Vorbild sein. Ich selber bin es offenbar nicht, denn sonst bräuchte ich ja keins. Andere sollen also als Vorbild herhalten. Die anderen sind für mich berechenbar, wenn ich weiß, woran sie sich halten.
„Er wird uns immer ein Vorbild sein“ – das hat etwas Nachrufhaftes. Psychologisch richtet sich das Vorbild gemäß Transaktionsanalyse aus einer „gütigen Elternrolle“ an das „angepasste Kind“. Wer ein Vorbild braucht, bezeugt demnach „Ich-Schwäche“.
Die Forderung nach einem Vorbild fördert in letzter Konsequenz und zu Ende gedacht Verantwortungslosigkeit und ist eine besonders ausgekochte Form der Manipulation: Nicht nur in Westdeutschland hat man über die „Helden der Arbeit“ gelacht.
Vorbild sein, ist darüber hinaus eher eine passive Aktivität, keine aktive. Zum Vorbild macht man sich nicht selbst, sondern man wird dazu gemacht. Wer versucht, aktiv Vorbild zu sein, wird es gerade deshalb nicht. Denn ein aktives Vorbild würde nicht handeln, um zu handeln, sondern um Vorbild zu sein. Damit würde es sein Tun als Wirkung auf andere inszenieren und gerade deshalb zwangsläufig scheitern. „We don´t need another hero!“
Ein Vorbild ist letztlich nichts anderes als das positive Pendant des Feindbilds, ein anderes gern gepflegtes konsensbildendes Hausmittel. Und wer kann schon wirklich mit seinem Verhalten oder Leben ein Modell abgeben für andere?
Nein, Vorbilder in Politik und Wirtschaft sind nimmer zu entdecken. Es gibt generell schon lange keine verbindlichen Lebensentwürfe mehr – das muss in Zukunft wohl jeder selbst entscheiden.