Schrankenposten, jene selten gewordenen Gebäude, in denen einst Schrankenwärter rund um die Uhr ihren Dienst taten, das wäre auch wohl einmal ein berichtenswertes Thema, meinte Diedrich Osmers vor einigen Monaten.
In Sagehorn gab es meines Wissens drei beschrankte und bewachte Bahnübergänge: Am Bahnhof Sagehorn, in der Ortsmitte Posten 11 (gegenüber „Sillingers Gasthaus“) und am Ortsende Posten 9 „Auf der Heide“. Posten 10 bei Fehsenfeld (Ahrens) habe ich nicht mehr kennengelernt. Zusätzlich gab es noch den einsamen Posten 8 in Clüverdamm.
Tag und Nacht waren sie in Dreifachschicht besetzt, diese kleinen, leicht erhobenen und nach drei Seiten verglasten Häuschen, wo verbeamtete Schrankenwärter nichts anderes zu tun hatten, als Bahnschranken rechtzeitig runter- und wieder raufzudrehen. Was für eine Arbeit! Natürlich gaben sie per Bahntelefon auch noch den soeben durchgefahrenen Zug weiter an den nächsten Posten. In Zeiten der Dampfloks war das noch möglich. Heute wäre der ICE schon längst am nächsten Posten vorbeigerauscht, bevor das Telefon geklingelt hätte. Wahrscheinlich haben sie auch minutiös Buch führen müssen über die durchgefahrenen Züge. Und sicher mussten sie auch sog. „Heißläufer“ melden, Waggons nämlich, bei denen durch Mangel an Schmiere das Radachslager rot glühend heiß gelaufen war. Bezahlt wurden sie vermutlich nach den untersten Besoldungsgruppen A 1 bis A 6.
Ich entsinne mich – unter Zuhilfename der Erinnerung von GH Bertram – an Namen wie Ewald Fahrenholz, Heini Busch, Hinnerk Hollmann, Wilhelm Behring, den einarmigen Brüne Cordes oder Harry Walter, die dort an „ihrem“ jeweiligen Posten Dienst machten.
Diedrich Osmers erinnert sich: „Heini Busch hatte immer eine undeutliche, nuschelige Aussprache. Er machte auch auf dem Schrankenposten 11 als Schrankenwärter Dienst. Am Telefon meldete er sich immer mit „Ell-Busch“ (sollte heißen „Posten elf, Busch“).“
Wie haben sie sich in den Häuschen nur die Zeit vertrieben? Besonders nachts war ja – zumindest damals – wenig los, nur der eine oder andere Güterzug. Einschlafen durfte man trotzdem nicht. Mancher Schrankenwärter hat sich damit beholfen, die Bahnschranken nachts einfach runterzudrehen, wenn die Müdigkeit zu groß wurde. Die örtlichen Nachtvögel oder Frühaufsteher haben sich dann schon bemerkbar gemacht durch Hupen, Klingeln oder „Bölken“.
Jochen Voigt meint: „Auf jeden Fall ist das ein schlimmer Job, total langweilig und ohne jede Entscheidungsbefugnis. Aber trotzdem Verantwortung auf Leben und Tod, das ist der Wahnsinn! Es ist auch alle paar Jahrzehnte mal etwas passiert. Manchmal hat der Schrankenwärter danach Selbstmord begangen.“
Am Posten 11 (das war der bei „Sillingers Gasthaus“) ist Jan Schwarmann aus Sagehorn einst mit seinem Goggomobil mit einem Zug kollidiert – und hat, hunderte von Metern mitgeschleift, schwer verletzt überlebt, weiß Diedrich Osmers zu berichten und erinnert Gerd-Hermann Bertram sich.
Mancher Schrankenwärter hätte vielleicht nebenbei Schriftsteller werden können. Gerhart Hauptmann hat immerhin einen Roman über ihren Berufsstand geschrieben: „Bahnwärter Thiel„.
Posten 11 war damals für uns Jugendliche der „Wachturm“ überhaupt, und ein großes Reizthema für unsere gesamte Klicke.
Wir sind so gerne losgezogen und hatten die Gegend unsicher gemacht.
Meine Freundin Anne und ich sind zu damaligen Zeiten, im sogenannten Teenager-Alter, gerne mal abends ausgegangen.
Wir durften aber nur samstags bis 21.00 Uhr und mussten spätestens um 22.00 Uhr zu Hause sein, was wir saublöd fanden.
Und so hatten wir damals die glorreiche Idee, ich glaube ich war das sogar, einfach zu behaupten, Anne schläft bei mir, und ich schlafe bei Anne.
Das war nämlich erlaubt, klang harmlos, und so waren wir ja unter Aufsicht.
Das klappte dann auch ohne Probleme, und es wurden nur noch extra Nachthemd und Zahnbürste eingepackt. Prima.
Per Anhalter sind wir beide dann zu einer Verabredung nach Fischerhude gefahren, wo wir dann auch ganz viel Spaß hatten. Und es gab Häppchen und Alkohol.
An den Heimweg dachten wir nicht, das verdrängten wir. Und so haben wir dort übernachtet. Passte ja auch auf wunderbare Weise irgendwie.
Am nächsten Morgen mussten wir aber irgendwie wieder nach Sagehorn.
Zu Fuß und per Anhalter – wie sonst auch – sind wir dann bis zum Sagehorner Bahnhof gekommen.
Dort sind wir vorsichtshalber ausgestiegen, um das letzte Stück möglichst unauffällig zu bewältigen.
Die größte Sorge war für uns – Posten 11.
Dort saß der Schrankenwärter, der täglich alles , aber auch wirklich alles mitkriegte, und es dann weiter tratschte.
Also, so langweilig war es dann auch wieder nicht für ihn …
Und da hatten wir echt Manschetten vor.
Aber irgendwie mussten wir da durch, ob wir wollten oder nicht.
So trennten wir uns schon mit Abstand vor dem Posten.
Anne ging in ihre Richtung, und ich über die Bahngleise am Posten vorbei auf unseren Hof.
Der Schrankenwärter hatte uns aber schon von weitem kommen sehen, und gleich beim nächsten Wärterhäuschen unsere Ankunft telefonisch weitergegeben, wo Anne ja in der Nachbarschaft wohnte.
So wussten Annes Eltern schon vor ihrer Ankunft über unseren geflunkerten Ausflug Bescheid.
Bei mir dauerte es dann ein paar Stunden länger, bis die Geschichte aufflog.
Denn da mein Vater (damals Fidi Buur) auch immer wieder mal gerne im Wärterhäuschen saß, um den neuesten Tratsch zu hören, bekam er es am Nachmittag dann auch brühwarm serviert.
Damals gab man mir immer wieder gerne Stubenarrest, das hieß dann:
Zwei bis drei Wochen kein Ausgehen.
Das Schlimmste, was man in dem Alter als Strafe bekommen konnte.
Liebe Gerda,
das ist wahrlich eine herzerfrischende Geschichte!
Kannst Du Dich noch an weitere Namen der Kollegen auf dem Posten erinnern?
LG
KHH
Hallo,
da kommen bei mir Kindheitserinnerungen hoch.
Mein Großvater hieß Peter Thiele.Er hatte den Posten vor dem Sagehorner Bahnhof.
Er saß oben u.mußte eine Außentreppe immer benutzen.Bei einem Fliegeralarm ist
er dann schnell nach unten.Als er auf der Treppe wieder nach oben ging,wunderte er sich über das Blut auf den Stufen.Er hatte noch nicht bemerkt,daß ihm der kleine
Zeh abgeschossen worden ist.
Wenn er Dienst hatte,habe ich ihn manchmal besucht u.durfte dann mit dem anderen Schrankenwärter telefonieren.
Mein Großvater starb 1966 mit 76.