Unser Ältester antwortet mir auf meine Frage, ob man am Wochenende hier mit ihm rechnen könne:
„Am kommenden Wochenende bin ich leider zu Hause, da hier einiges an Arbeit auf mich wartet.“
Diese Antwort ist an sich nicht weiter aufregend, doch ist es bereits das zweite Mal, dass der junge Mann „zu Hause“ für sein Zimmer am Studienort gebraucht.
Zu Hause ist also ein variabler Begriff. Zu Hause ist dort, wo man – überwiegend – lebt.
Auch das Wort Heimat verweist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Heimat ist meist dort, wo man geboren wurde. Dabei kann sich Heimat auf eine Gegend oder Landschaft, aber auch auf Dorf, Stadt, Land, Nation, Vaterland, Sprache oder Religion beziehen. Und anders als mit „zu Hause“ kann „Heimat“ nicht nur auf konkrete Orte, sondern auf die Gesamtheit der Lebensumstände, in denen ein Mensch aufwächst, verweisen.
Was Heimat bedeutet, erfährt man erst richtig in der Fremde, insbesondere im Exil. Besondere Bedeutung hat Heimat aus Sicht des Bundes der Vertriebenen.
Noch anders verhält es sich mit dem „Vaterland„, das eine eher politische Dimension inne hat. Es ist das Land, aus dem die Vorfahren stammen. Gerne werden „Heimat“ und „Vaterland“ durch politische Ideologien benutzt, um eine Feindschaft zu anderen Menschen und Nationen zu begründen.
Bert Brecht schrieb in seinen „Flüchlingsgesprächen“:
KALLE: “Die Vaterlandsliebe wird schon dadurch beeinträchtigt, daß man die lieben soll, die man heiratet, und nicht heiratet, die man liebt. Warum, ich möcht zuerst eine Auswahl haben. Sagen wir, man zeigt mir ein Stückel Frankreich und ein Fetzen gutes England und ein, zwei Schweizer Berge und was Norwegisches am Meer und dann deut ich drauf und sag: das nehm ich als Vaterland; dann würd ichs auch schätzen. Aber jetzt ists, wie wenn einer nichts so sehr schätzt wie den Fensterstock, aus dem er einmal herausgefallen ist.“
ZIFFEL: “Das ist ein zynischer, wurzelloser Standpunkt, der gefällt mir.“
Heinrich Heine schrieb gar: „Ein Fluch dem falschen Vaterlande, wo nur gedeihen Schmach und Schande.“
„Hamit“ hat Walter Kempowski sein Tagebuch über das das Jahr 1990 genannt, das Jahr der Wiedervereinigung: Für den Mann aus Nartum ist es das Jahr, in dem er sich zum fernsten Stern seines Lebens aufmacht, in seine alte Heimat – oder „Hamit“, wie man im Erzgebirge sagt.
Wer kein Zuhause oder keine Heimat hat, dem fehlt etwas Entscheindendes. Menschen sind durch ein unsichtbares Band mit ihren Wurzel verbunden.
Dahoam is dahoam!
Davon losgelöst impliziert Sohnemanns Aussage, der ja wohl studiert, daß noch genug Geld da ist, er also nicht deswegen nach Hause kommen müßte (honi soit qui mal y pense), was ja erst einmal durchaus positiv gesehen werden kann.
Weniger positiv fällt mir das wertende ‚leider‘ auf – ein Trend, der sich allgemein immer wieder beobachten läßt: Viele scheinen nicht gerne zu Hause zu sein, gerne unterwegs und noch lieber bei anderen; Streß tritt ein, wenn mal nichts geplant ist. Denn ist man dann doch allein, so ist man gezwungen, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, sich selber auszuhalten – eine offenbar ungemeine Herausforderung, fehlt doch jegliche Ablenkung. Zum Glück gibt es das Fernsehen, was uns vom Lesen oder bewußten Musikhören (anstatt sie im Hintergrund laufen zu lassen) abhält.
Es scheint fast so, als würden wir andere Menschen brauchen, weil wir uns selber nicht ertragen können und – noch ein wenig spitzer formuliert – uns deshalb geradezu in Beziehungen ‚flüchten‘.
Ein unbehaglicher Gedanke, denn für Psychologen ist ein Brauchen auch immer ein Mißbrauchen. Die Trennungsstatistiken sprechen für sich.
Huch! Lieber Peer Wichary, wie immer Florett!
Doch auch wenn ich das „leider“ eher so interpretiere, dass ich die Apfelbäume nun selber zurückschneiden muss (denn darum hatte ich bei Sohnemann nachgefragt – der ist nämlich in jeder Hinsicht schwindelfrei), so fordert Ihr Kommentar zwingend eine Antwort.
Gewiss, der Mensch ist ein Hordenwesen. Nur in der Sippe kann er überleben. Und nur im Spiegel der Anderen können wir uns weiterentwickeln. Der Eremit ist und bleibt die Ausnahme.
Die Kunst der Beziehung – auch jeder Freundschaft – besteht darin, den stets richtigen Abstand zu erkennen und im Laufe der Zeit auch zu korrigieren, nachzujustieren. So ist es ja auch in der Kindererziehung: Die am Anfang so wichtige große Nähe muss (!) irgendwann (ggf. auch bewusst) nachlassen, um eigene Entwicklungen (vor allem des Kindes, aber letztlich dann auch wieder der Eltern) möglich zu machen – und später gar die Abnabelung vom häuslichen Kokon zu ermöglichen.
So gesehen ist so eine Antwort für Eltern emotional uU schwierig, rational aber hervorragend!
jemand hat mal gesagt“ Zuhause ist wo mein Hut hängt“
Schließe mich @D.Osmers an. Kann auch nicht anders als einer, der mittlerweile, Moment…., genau 12 Mal umgezogen ist und demnächst vor einem Umzug steht. Das wäre dann Nummer 13. Und definiere den Begriff Heimat schon mal ganz anders. Heimat ist für mich da, wo ich mich auf längere aber unbestimmte Zeit wohlfühle, also wohne. Heimat sind für mich immer die Menschen, die unabhängig von ihrem Wohnort, seit langer Zeit meine Freunde sind. Das sind nicht viele, aber das ist gut.