Der Streich mit der Rute zu Nikolaus, der gerne jenen Kindern angedroht wird, die „unartig“ („Na, wart ihr auch alles artig?“) waren, ist historisch anders gemeint gewesen, nicht als Strafe, sondern als Segen, denn die Rute ist das sog. „lebendige Reis“ (althd. für Zweig, Reisig, Gebüsch, Gesträuch), dessen Berührung Glück verheißt.
Zweige sind seit Urzeiten ein (heidnisches) Sinnbild des Lebens. Deshalb schmücken wir den Weihnachtsbaum als grünen Hoffnungsträger. Und deshalb pflücken wir am 4. Dezember Barbarazweige von Obstbäumen und stellen sie in lauwarmes Wasser – zu Weihnachten steht das scheinbar trockene Holz dann in voller Blüte – schöner lässt sich der Kreislauf des Jahres nicht symbolisieren.
Auch der Weihnachtsmann bringt angeblich den „braven“ Kindern an Heiligabend Geschenke, den „bösen“ hingegen bloß die Rute. Er vereinigt somit Eigenschaften des gutmütigen Sankt Nikolaus und seines in Europa meistens als begleitenden Gegenspieler dargestellten strafenden Knecht Ruprecht.
Jochen Voigt weist erinnert mich heute morgen daran, dass Weihnachten insgesamt einen spirituellen Kern hat, der weit über die Bibel hinaus weist. So wurde schon in den Zeiten vor der christlichen Religion die Wintersonnenwende gefeiert.
Auch der Geschenkekult sei wichtig, denn er halte die Gesellschaft im innersten Kern zusammen. Geschenke stifteten Verbindlichkeit und Vertrauen zwischen denen, die fürs Überleben aufeinander angewiesen sind, jung und alt, gesund und krank. Man schenke, obwohl man das Geld eigentlich viel nützlicher anwenden könne, um den Beschenkten die wirtschaftliche Leistungskraft zu demonstrieren (auch wenn das Geld geliehen sei…). Das sei so eine Art Potlach-Prinzip, wie bei den Indianern.
Nicht immer war die Rute also das gefürchtete Objekt, als das wir sie heute kennen.
Dann darf der Weihnachtsmann heute Abend also gerne mit Geschenken und Rute kommen.