Ich erinnere mich, wie ich als Jugendlicher der 60er Jahre eines abends schwer beeindruckt war, als der gemischte Chor „Liederfreund Sagehorn“ in „Sillingers Gasthaus“ den Gefangenenchor aus Verdis Oper „Nabucco“ probte.
Eigentlich war so etwas für uns „Spätachtundsechziger“ ja nichts. Doch der langjährige Chorleiter Walter Theis hat aus diesem Chor etwas gemacht. Heini Busch als Bass, das ging unter die Haut – auch wenn böse Zungen behaupten, er sei der wahre Erfinder des „Playback“ gewesen.
Ich erinnere mich: Akribisch arbeitete der Chorleiter die Achtelsekundenpausen an der entscheidenden Stelle des Stückes heraus: „Perché mu!ta ! dal! salice pendi?“ und „Ci fa!vella ! del tempo! che fu!“
Singen tut gut. Es fördert, wie Experten versichern, sogar Gesundheit und Intelligenz. Lieder können Feinde lähmen, Geister vertreiben, Regen machen, Welten neu erschaffen. Dabei spielen sich entscheidende Veränderungen im Gehirn ab. Vorn, in der Stirnregion, wird das Belohnungssystem aktiviert; weiter im Innern, in den Basalganglien, wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet – eine Substanz, die unter anderem Gedächtnisprozesse und die soziale Bindungsfähigkeit beeinflusst.
Gleichzeitig senkt Gesang die Konzentration jener Hormone, die aggressiv und stressanfällig machen: Testosteron und Cortisol. Bei regelmäßigem Gesang vernetzen sich sogar die Synapsen des Gehirns auf neue Weise. Der Mensch wird also durchs Singen nicht nur beschwingter, ausgeglichener und friedfertiger, sondern auch noch ein gesünderer und klügerer Mensch.
Und was noch viel entscheidender ist: Man macht etwas gemeinsam mit anderen Menschen. Dass es auch in Chören zu Krawall kommen kann, liegt wohl eher am Vereinswesen. So bedauerte ich sehr, dass der Bremer Barbershop Chor „Singsation“ durch interne Auseinandersetzungen es nicht mehr schafft, die sonst traditionell am letzten Novemberwochenende stattfindende „A-capella-Nacht“ in der Bremer Glocke auszurichten.
Als Einheimischer sieht man, dass der gemischte Chor „Liederfreund“ ein Abbild des Ortes war, in dem ohne „Ansehen des Standes“ Gemeindemitglieder miteinander sangen. Das aus dem Buch „Oyten – Ein Heimatbuch“ entnommene Foto (Autor unbekannt) zeigt den Chor im Jahre 1961 anlässlich seines 50jährigen Bestehens. Walter Theis ist der rechte der beiden Herren in der unteren Reihe (Heini Busch der Mann mit der größten Körperfülle). Im Jahre 2011 konnte der „Liederfreund Sagehorn“ sein 100-jähriges Bestehen feiern.
Untere Reihe von links:
Sophie Pohlmann, Anita Meyer, Hilde Hoseit, Erike Ende, Hilma Parpart, Helmut Oetjen, Walter Theis, Erna Drees, Thea Bartelt, Elisabeth Schuschies, Hermine Ramke, Erika Köster
Zweite Reihe von unten links:
Karin Wessel, Gertrud Behring, Wilma Köster, Waltraud Eckert, Gerda Wilkens, Renate Brand, Hannelore Brand, Helga Pohlmann, Hildegard Harling, Ingrid Theis, Amanda Oetjen, Gertrud Hoffmann, Herma Sillinger, Anne-Sophie Mrose
Dritte / vierte Reihe von unten links:
Anita Bohling, Ursel Horstmann, Karin Brockmann, Heidi Esselmann, Karl-Hermann Cyriacks, Heini Klee, Brün Parpart, Hinnerk Oetjen, Herbert Klee, Heinz Sievert, Ingo Bargmann, Heini Busch, Henry Schmidt, Heini Schwenker, Gerd Kallies, Hermann Aukamp, Bernhard Pohlmann, Alfred Wessels, Fidi Oetjen, Dieter Meier,Heiner Seeger, Hermann Heitmann, Hinnerk Mattfeldt, Fritz Preis, Brüne Esselmann, Werner Jagdfeld, Hermann Schwenker, Hermann Grashoff, Anneliese Schuschies, ??? Schimanski, Bärbel Ende, Gisela Schuschies.
(Dank an Johann Mindermann, Gerd-Hermann Bertram und Dieter Osmers für die Zuordnung der Namen!)
Das Bild hab ich mir immer wieder gern angeschaut. Es hängt im Übungsraum des Sagehorner Gesangvereins (Tipp für „Buten-Sagehorner“ ;-)…
Hilma Parpart, vor sieben Lenzen mit 89 Jahren gestorben, ist noch fast ne junge Deern. Viele sind schon gestorben – andere sind alt geworden, aber im Herzen jung geblieben und mancher hat gar einen bemerkenswerten Charakter entwickelt –
Ganz plietsch wurde damals die Vereinsfahne vom FahnenSchwenker vorsorglich schräg gehalten, damit beim Singen nichts schief gehen konnte 😉
Es gibt noch ein liebevoll gestaltetes, kleines, feines Heftchen, das Walter Theis, Helmut Oetjen und Peter Feldmann 1986 zum 75sten Jubiläum des „Liederfreund Sagehorn“ „gebastelt“ haben.
Darin sind alle fünf Chorleiter abgebildet, der Gemischtwarenladen Schwarmann, die Dorfschule, die Schmiede Benstein, das frühere Sangeslokal Rathjens Gasthof, die Vereinsfahne mal nicht schräg und die Herren der Schöpfung mit Pferd statt mit Fahrrad.
Wenn aus den Pferden alte Gäule geworden waren, wurden sie zu Steaks verarbeitet und die Männer trafen sich auf Anregung von Louis Wessel ab Mitte der 1930er Jahre traditionell zum Pferdefleischessen mit geselligem Beisammensein.
August Benstein gab zu den Steaks aus seiner Schmiede dann den „Senf“ dazu und ließ unverhofft einen blankgeputzen Hufnagel darin verschwinden – normale Lokalrunden fand man eben früher schon langweilig…
Schon vor der Jahrhundertwende existierte ein Gesangverein, der aus gesellschaftspolitischen Gründen aber nach wenigen Jahren wieder aufgelöst wurde.
Erstmals im Jahr 1975 wurde im „Jahr der Frau“ dann die Männertradition durchbrochen und es galt nicht mehr als tabu, dass sich die Frauen am festlichen Pferdefleischschmaus beteiligen durften, wobei vor dem Krieg und in den wirtschaftlich besseren Zeiten Fohlensteaks von allen bevorzugt wurden.
Mitbegründer des Vereins waren Hermann Cyriacks und Heinz Osmers, der in den 40er und 50er Jahren auch Schriftführer war. In den 30er Jahren begannen talentierte Sängerinnen und Sänger dann mit dem Theater spielen op Platt. Auf zwei Fotos zeigen Helmut Oetjen und Ingrid Theis ihr schauspielerisches Talent. Heini Schwenker spielte unvergleichlich plietsch den Bauern und Jonny Pohlmann erntete Applaus als Knecht.
Die Plattdeutsche Sprache erlebte seitdem eine erfreuliche Renaissance, an der wir uns nun seit einigen Jahren durch die Sendung „Neues aus Büttenwarder“ erfreuen können. Wohlverdient bekamen nun Peter Heinrich Brix und Jan Fedder den Kappelner Niederdeutschen Literaturpreis für ihre Verdienste um die Plattdeutsche Sprache und die Vermittlung des typischen Büttenwarder Lebensgefühls, nicht reich, aber plietsche Lebenskünstler zu sein… 😉
Meine Schwiegermutter, Sophie Pohlmann, war viele Jahre aktiv in dem Gesangsverein. Sie ist auch Gründungsmitglied der Frauenabteilung gewesen. Als das Fahrradfahren nicht mehr so gut funktionierte hat sie den aktiven Übungsabend nicht mehr besucht.
Im Jahre 2008 ist meine Schwiegermutter mit 98 Lenzen bei Elke und Dieter Ratjen im Altenheim ruhig eingeschlafen.
Auch im Sommer während der Heuernte war der Übungsabend immer wichtig und wurde auch nicht versäumt.
MfG
GHB
Kannst Du sie auf dem Foto lokalisieren?
GH, Du kennst doch sicher viele der Gesichter. Kannst Du die nicht mal benennen?
Meine Schwiegermutter, Sophie Pohlmann, sitzt in der ersten Reihe ganz links.
Zu den anderen Mitgliedern des Gesangsverein, ich glaube, ich kenne sie alle auch mit Namen. Nur das Auflisten ist sehr aufwendig.Wenn nötig, dann müssen wir gemeinsam daran arbeiten.
MfG GHB
Auf dem Bild „Liederfreund“ Sagehorn steht in der Dritten/vierten Reihe der Name Gerd Kallies. Es ist aber nicht Gerd sondern Bernd Kallies.
MfG Hans-Jürgen Esselmann