Im obersten Regal meines Büros haben sich viele Erinnerungsstücke angesammelt. Aus dem Französischem stammt das Wort „Souvenir“ ( lat „subvenire“ = zu Hilfe kommen). Sie alle erinnern mich an einen bestimmten Augenblick oder Abschnitt meines Lebens. Es ist an der Zeit, über sie zu berichten.
Beginnen wir mit der grau emaillierten (viele Haushaltsgegenstände waren einst aus Emaille) „Kruke“ (Thermoskannen gab es damals noch nicht). Sie erinnert mich an meinen Großvater väterlicherseits, Heinrich Heidtmann. Als Bahnbeamter unterhielt er wie nahezu alle Landbewohner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Nebenerwerbshof in Sagehorn. Dazu gehörten zwei oder drei Kühe, einige Schweine, Hühner, Gänse usw. Die Kühe lieferten Milch. Daraus machte die Großmutter Dickmilch, Weißkäse und Butter. Die Schweine landeten in der Wurst, ihr Schinken im Salz, denn einmal im Jahr wurde geschlachtet. Im Garten hinter dem Haus wurde Gemüse angepflanzt, genug, um sich selbst zu versorgen. Im Vorgarten stehen die Obstbäume, Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen.
Um die Kühe sommers wie winters zu füttern brauchte man frisches Gras bzw. Heu. Anderthalb Hektar Wiese nenne ich noch heute mein eigen. Auf einem weiterne halben Hektar wurde Getreide bzw. danach Stoppelrüben oder Runkeln angebaut. Das Korn (meist Roggen oder Weizen) wurde noch mit der Hand ausgesät (da konnten sich im Gegensatz zu heute noch Hase und Fuchs bequem im Kornfeld bewegen, was heute bei den dichten Saatabständen kaum mehr möglich ist), mit Pferd und Sense (später Mähmaschine mit Mähbalken) gemäht, per Hand zu Garben gebunden und zu Hocken zusammengestellt (unter die man bei Regen oder Gewitter prima kriechen konnte und trocken blieb).
Gedroschen wurde am Dreschplatz, wo ein Lohndrescher mit seiner über lange Transmissionriemen von einem alten Lanz angetriebenen und einen Höllenlärm erzeugenden Dreschmaschine das gesamte Korn des Ortes sein Korn drosch. Damit gab es immer genug Mehl im Haus zum Brotbacken (einmal im Monat) und Kühe wie Schweine hatten ebenfalls genug Winterfutter.
Zwei Mal im Jahr wurde „geheut“. Das Gras wurde gemäht, mehrfach gewendet, in Reihen geharkt und zuletzt „gehaufelt“, um es so mit einem einzigen Forkenschwung auf den Heuwagen zu befördern. Bei meinem Großvater ging fast alles von Hand. Nur wenn gepflügt werden musste, lieh er sich beim Großbauern zwei Pferde und den Pflug. Im Gegenzuge musste die ganze Familie dann kostenlose „Hand- und Spanndienste“ bei der Ernte des Großbauern leisten.
Nur wenn es wirklich lange genug heiß und sonnig war, konnte man Heu machen. Opa Heidtmann nahm dann seine Sense (die er vorher ordentlich „gedengelt“ hatte) und mähte zwei „Morgen“ (ein Morgen = 2500 m2) Gras. Das wurde dann mit Harke oder Forke gleichmäßig dünn verteilt, damit die Sonne es schnell trocknen konnte. Einige Tage später konnte das nahezu trockene Heu dann in lockeren Reihen zusammengeharkt werden, damit der Wind ihm die Restfeuchte nehmen konnte. Das nachwachsende Gras sorgte dafür, dass das leichte Heu einige Zentimeter vom Boden nicht von unten nass werden konnte.
Bei diesen Arbeiten kam die Kruke zum Einsatz. In ihr befand sich nämlich „Bohnenkaffee“. Jede Wiese hatte damals einen schattenspenden Baum – und unter diesen setzte man sich, trank (den meist schon erkalteten) Kaffee und aß dazu zum Beispiel ein Leberwurstbrot oder auch ein Stück Butterkuchen. Manchmal durfte ich dem Opa Kaffee und Kuchen mit dem Fahrrad in die „Viemark“ (Wiesenland in den Wümmeniederungen) bringen. Natürlich hatte ich auch Durst und durfte mit aus der Kruke trinken. Herrlich! Noch heute trinke ich an heißen Tagen gerne eine Tasse kalten Kaffee.
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