Wer einmal eine bestimmte Einstellung gegenüber einer Sache oder Person hat, wird selber ständig Beweise suchen, die eben diese Einstellung rechtfertigen. Dies umschreibt der Begriff „Kognitive Dissonanz“, des Sozialpsychologen Leon Festinger.
Eine Dissonanz wird in der Musik (im Gegensatz zur „Harmonie“) generell als unangenehm empfunden. Dies ist der Fall, wenn Wahrnehmungen, Einstellungen oder Gefühle miteinander unvereinbar sind oder mit früher gemachten Erfahrungen mit neuen nicht übereinstimmen.
Der Mensch hat im Laufe der Evolution eine selektive Wahrnehmung entwickelt. Dies war und ist überlebenswichtig, denn aus der Informationsmenge, die uns in jedem Moment zur Verfügung steht, kann nur jeweils ein kleiner Teil ausgewählt und zu Wahrnehmung zugelassen werden, sonst droht Informationsüberlauf. Das Gehirn tönt die Wirklichkeit in seine eigene Farbe und verkehrt die Wahrheit manchmal so in ihr Gegenteil. Es hat die Möglichkeit, die Realität zu manipulieren und nutzt dies weidlich.
Wahrnehmung ist das, was jeder Einzelne subjektiv (für) wahr nimmt. Doch was wählen wir subjektiv aus? Das, was wir für wichtig, richtig, sinnvoll oder interessant halten.
Das gilt gerade auch für die Wahrnehmung anderer Menschen. Wir verknüpfen neue Sinneseindrücke mit bereits gemachten Erfahrungen. Und damit ist es dann bereits geschehen: Wir „erschaffen“ den Anderen. Wir „machen uns ein Bild“ von ihm. Was immer wir über ihn denken oder sagen, ist unsere Wahrheit – nur nicht DIE Wahrheit.
Denn die anderen sind nicht so, wir nehmen sie nur so wahr. Wir nehmen nur die Dinge wahr, die in unser Weltbild passen. Damit ist unsere Wahrnehmung weder richtig noch falsch, weil dies die Möglichkeit einer „objektiven“ Wahrnehmung überhaupt unterstellen würde.
Doch zurück zur Dissonanz. Der Mensch hat es nicht gern, wenn er sich selber unrecht geben muss. Wer einmal eine (negative) Einstellung hat, beweist sich lieber, wie recht er damit hat (und übersieht ggf. alles Positive). So wie Sie denken, so werden Sie auch handeln. Sie können also glauben, was Sie wollen: Sie bekommen immer recht – die Materie folgt quasi dem Geist. Die Prophezeiung erfüllt sich selbst („Pygmalion-Effekt“).
Denn es sind nicht die Dinge, die uns zu schaffen machen, sondern immer unsere Einstellung dazu. Die Wahrnehmung steuert unser Verhalten. Wer mies drauf ist, sieht nur miese Typen. Ein Unternehmer, der aufhört Optimist zu sein, ist bald keiner mehr. Und es sind unsere Wertmaßstäbe, die einen schlechten Mitarbeiter zu einem solchen machen. Das ist weder richtig noch falsch. Es ist ein Urteil.
Merke: Wahrnehmung ist ungleich Wahrheit.