Nahezu alle bekannten und noch existierenden Naturvölker führen ein Leben voller Aggression und Gewalt. Das Risiko, als Ureinwohner ums Leben zu kommen ist statistisch deutlich höher als in allen Großstädten der USA.
Also auch fernab der Zivilisation keine paradiesischen Zustände. Mit dem Blick auf die verbliebenden Naturvölker werfen wir einen vergleichenden Blick in unsere eigene Vergangenheit, in der offenbar auch unsere Vorfahren, mordend, raubend und brennend ihr Unwesen trieben.
Sind also die Gewalttaten, von denen die Medien uns immer wieder berichten gar nicht ungewöhnlich? Doch woher kommt dieses Gewaltpotenzial? Der Völkerkundler Jörg Helbling arbeitet derzeit an einem Buch über eben dieses Thema. Arbeitstitel „Vom taktischen Einsatz der Grausamkeit in Stammeskriegen“.
Einst stellten die ersten Hominiden in kleinen Horden dem Wild nach, ständig in der Angst, selbst Beute von wilden Raubtieren zu werden. „Der Todesangst des Gejagten gesellte sich also der Triumpf des Jägers hinzu. Spätestens von da an genossen aggressive Individuen einen entscheidenden Überlebensvorteil. Der Mensch wurde zum gefährlichsten aller Tiere.“ – wie es der Anthopologe David Livingstone Smith ausdrückte.
In kleinen Gruppen von etwa 25 Erwachsenen zogen unsere Vorfahren umher. Die eigene Sippe bot Sicherheit, fremden Horden ging man aus dem Weg oder hatte regelmäßig Streit mit diesen. Dieses Verhalten, so glauben die Evolutionspsychologen nun, hat den Menschen geprägt. Besonders in der Furcht vor dem „Fremden“ sieht man gar die Quelle der Vorstellung des „Bösen“. Bis in unsere Gegenwart reicht ja der Unterschied zwischen „wir“ und „sie“ als Schlüssel, um Gewalt zu erklären.
Glücklicherweise entstanden innerhalb der Horden auch andere, positive Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Liebe, Selbstlosigkeit. Und mit zunehmender Entwicklung „zivilisierter“ Gesellschaften wurde die Gewalt durch Tabus, Rituale oder religiöse Systeme – später dann Gesetze – eingedämmt. Offiziell hat bei uns nur der Staat das Gewaltmonopol.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in dem ZEIT-Beitrag vom 22. Oktober 2009
„Die Wurzeln des Bösen“.