Die meisten berufstätigen Menschen eilen durch die Woche zielstrebig aufs Wochenende zu. Die Radiosender bedienen sie dabei mit entsprechender Musik und launigen Durchhalteparolen, die sie vorzeitig aufs Wochenende einstimmen sollen. Dass es offenbar auch in modernen Zeiten den von Marx/Engels definierten Unterschied zwischen dem „Reich der Freiheit“ und dem „Reich der Notwendigkeit“ gibt, kann also auch im Radio als gesichert gelten!
Welchen Stellenwert die Arbeit im Programm der Radiosender einnimmt, erkennt man an der Inszenierung des Bildes von fremdbestimmten Angestellten: Die Moderatoren lassen keinen Zweifel daran, dass es eine entfremdete, von den Hörern zutiefst verachtete Arbeit ist, die verrichtet werden muss, während das Radio läuft.
Die Moderatoren geben sich deshalb als gut gelaunte persönliche Begleiter durch den Tag. Und weil die Sender wissen, dass Erinnerung ein wichtigstes Kapital ist, Erinnerungen zum Beispiel an eine Zeit, in der alles möglich schien, eine Zeit ohne Arbeit, finanzielle Verpflichtungen, Beziehungstress usw. wird das der jeweilige Sender bzw. dessen Programm auf die angepeilte Alterszielgruppe perfekt angepasst – und damit gekoppelt ist natürlich die jeweilige zielgruppenadäquate Werbung.
Die Moderatoren insinuieren ihren Hörern, dass zur Arbeit gehen gleichbedeutend ist, mit sich jeden Morgen überwinden zu müssen – und ab dem Mittagessen den Feierabend herbeizusehnen. Auch an den halbstündigen Wetterberichten, Verkehrsnachrichten, Blitzer- uns Staumeldungen offenbart sich ein Weltbild, das die Sender ihren Hörern gerne vermitteln: Das Leben ist von Mächten bestimmt, gegen die man kaum etwas ausrichten kann – außer diesen geschickt zu entwischen.
Zu den beliebtesten Elementen der Moderation gehört auch die Psychologie der Wochentage. Am Montag zieht sich das Lamento durchs Programm, wie hassenswert dieser Wochentag doch sei: „Monday I’ve got Friday on my mind“. Mittwoch feiert man „Bergfest“: „Nur noch zwei Tage, dann haben wir es geschafft.“ Und wer am Freitag Radio hört, wird jede Viertelstunde mit dem Hinweis bedacht, dass dieser oder jene Song „den Start ins Wochenende versüßen“ solle.
Wissen Sie übrigens, was nach landläufiger Meinung der schönste Tag der Woche ist? Nein, nicht Mittwoch oder Freitag! Dienstag! Warum gerade der? Nun, weil es dann am längsten dauert, bis es wieder Montag ist!