Zigeunersauce – eine verlogene Debatte

Daran, dass Mohrenköpfe und Negerküsse nicht mehr so heißen dürfen, haben wir uns noch immer nicht gewöhnen wollen.

Nun werden wir – man hätte es ahnen können – mit dem Wort „Zigeunersauce“ konfrontiert. Der Verein der Sinti und Roma in Hannover hat den Begriff kritisiert. Doch die Hersteller sehen nicht ein, warum sie ihre Produkte umbenennen sollen, immerhin werde dieser Begriff seit 1903 verwendet und seither vom Verbraucher positiv aufgenommen.

Doch „Zigeuner“ ist inzwischen offensichtlich ebenfalls ein zweifelhaftes Wort und steht angeblich für rassistische Diskriminierung. Welche Alternativen gäbe es? „Roma-Sauce“? „Sinti-Sauce“? Klingt beides nicht überzeugend. Dann also neutral-regional „Puszta-Sauce“? Das beliebte „Zigeuner-Schnitzel“ wurde in den städtischen Kantinen der Niedersächsischen Landeshauptstadt bereits per Dekret zum „Schnitzel Balkan Art“ umgetauft.

Gewiss, Tucholsky hatte Recht, als er schrieb, dass Sprache Gesinnung sei. Doch die gegenwärtige „Gender-Diskussion“ und Debatte um „Political Correctness“ schießt weit über das Ziel hinaus. Zudem leistet die Worthuberei nicht das, was sie vorgibt: Nämlich ein gleichberechtigtes Nebeneinander auch lebenspraktisch zu garantieren.

Die Nationalsozialisten haben nicht nur „Zigeuner“ verfolgt, sondern jeden Andersdenkenden: Kommunisten, Sozialisten, Juden, Zeugen Jehowas usw. Für keinen von ihnen war das ein Grund sich seines „Gattungsbegriffs“ zu schämen.

Zigeuner gelten als bis hin zum „Nomadentum“ ungebunden und nicht sesshaft. Im Französischen bezeichnet das Wort „cigogne“ den Weißstorch – der Zugvogel schlechthin. In Deutschland gilt per Gesetz garantierte „Freizügigkeit“, jeder kann sich bewegen wohin und so oft er will.

Die Sprachblasen sind eine Fiktion und tragen nur zur Beruhigung des Gewissens derer bei, die von „den Anderen“ auch weiterhin nicht viel wissen wollen – nur tragen sie jetzt das „korrekte“ Mäntelchen. Und somit ist die ganze Angelegenheit letztlich verlogen. Unsinnig ist sie zudem, denn die „Zigeunersauce“ ist – anders als Worte wie zB „Negermusik“, „Polakenbraut“ oder „Russenmafia“ – eindeutig positiv konnotiert.

Was wohl als Nächstes dran kommt? „Altweibersommer“? „Schwarzarbeit“? „Franzosenkraut“? Und was machen wir mit Othello, dem Mohr von Venedig? Und mit Ernst Neger, dem Komponisten des Jahrtausendschlagers „Humba-humba-täterä“?

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4 Antworten zu Zigeunersauce – eine verlogene Debatte

  1. Joachim Kienitz sagt:

    Danke, Herr Heidtmann.
    dem ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen. Dennoch gestatten Sie mir bitte eine kurze Anmerkung: In der Tat gibt es wohl kaum ein Volk in der Welt, das besser auf sich aufpasst als das deutsche. Dass diese Attitüde (die Schwester heißt Humorlosigkeit) im Ausland mit einer Mischung aus Belustigung und Verachtung registriert wird, stört hier offenbar keinen oder wird arrogant ignoriert. Das einzig zulässige Mantra lautet „Political Correctness“, und ihm hat sich der gesunde Menschenverstand bitteschön zu beugen.
    Solange die Diskussion noch nicht beendet ist, biete ich deshalb einen Kompromiss an:
    Wie wär´s mit NegerInnenkuß und ZigeunerInnenschnitzel. Dann geben zumindest die Gender Mainstreaming Utopisten Ruhe.
    Merke: Wirklich Ruhe ist erst dann, wenn alle gleich (verblödet) sind.

    PS: Wie lange müssen wir noch auf die Umbennung von HEILbronn warten??

  2. F Torvald sagt:

    Im Hamburger Abendblatt wurde letzten August zum Artikel „Sinti und Roma wollen ein neues Wort für Zigeunersauce, 15.08.2013“ folgender Leserbrief von K. K.-Kroschewski veröffentlicht:

    „Ein ganz großer Dank ans Abendblatt, das dieses weitreichende Thema endlich aufgegriffen hat! Als Hamburger sind meine armen Kinder schon regelrecht traumatisiert: werden sie doch in aller Welt mit den namensgleichen Flach-Fleischklöpsen verwechselt! Und erst die Kinder unserer Wiener Freunde! Ganz zu schweigen von den Frankfurter Verwandten. Unverständlich, warum ein ganzes Volk vonThüringern nichts gegen diese kanibalstische Vereinnahmung unternimmt? Auch das tapfere Bergvölkchen der Harzer: seit Urzeiten mit einem stinkenden und doch fettarmen Käse verunglimpft! Aber Rettung naht!

    Ob Berliner, Kieler, Edamer oder Limburger: auch diese diskriminierende Sprachsauce drängt feurig-würzig auf den EU-Prüfstand: wohlmeinende Richtigsprecher und EU-Bürokraten werden schon dafür sorgen, dass ein Alter Holländer dann nur noch Grachtenstinker genannt werden darf. Und das dürfte dann doch wirklich zum Himmel stinken.“

    Eigentlich ist dieser Realsatire nichts hinzuzufügen – ausser dass es in Bukarest jede Menge Kneipen „mit Zigeunermusik“ gibt und selbst auf dem letzten Timmendorfer Hafenfest, wo die lokalen Roma-und-Sinti-Verbände einen mit Landesmitteln gesponserten Stand unterhalten konnten, priesen diese gar selbst auf Plakaten und wortreich Ihre abendliche „Zigeunermusik“ an. Es lebe der „Zigeunerbaron“ – oder muss der nun auch umbenannt werden…?

  3. Herrlicher Kommentar – vielen Dank dafür! Da fehlt eigentlich nur noch dieses Zitat:

    „Im Gegensatz zur Pest ist die Dummheit keine Krankheit, weshalb keine Hoffnung darauf besteht, sie jemals ausrotten zu können.“ (Johann Gottfried Seume)

  4. Dombrowski sagt:

    Sehr schöne Kommentare. Ich befürchte das Herr Sarrazin doch recht behält. Deutschland schafft sich ab. Obwohl. Auch hier ist ein Fehler. Es muss heißen: Deutschland wird abgeschafft.

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