Die Hybris um die NSA-Affäre

Dass das eigene Volk von den USA überwacht wird, damit kann die deutsche Regierung offenbar ganz gut leben – profitiert man doch selber ggf. davon, wenn es um verdächtige oder gar subversive Elemente im Inneren geht.

In Deutschland selber ist die Überwachung von Parteien jenseits der Mitte, wie zum Beispiel „Die Linke“, durch den eigenen Verfassungsschutz offenbar rechtlich in Ordnung (außer, wenn ein gewählter Funktionär politische „Immunität“ besitzt).

Selbst gegen die Wirtschaftsspionage durch den NSA hat man Kanzleramtssekretär Pofalla im vergangenen Sommer nur ein wenig säuseln lassen, c’est tout! Da müssen die Unternehmen schon selber aufpassen.

Jedes Land unterhält Geheimdienste. Was diese tun, ist meist „geheim“. Doch inzwischen weiß man, dass der britische Geheimdienst GCHQ eng mit dem deutschen BND und den Geheimdiensten Frankreichs, Spaniens und Schwedens bei der Überwachung der Internet- und Telefonkommunikation kooperiert. Unter dem Codenamen „Tempora“ werden mehr als 200 Glasfaserkabel angezapft, um Zugriff auf den Internetverkehr zu erlangen.

Doch dass nun auch das Mobiltelefon der Kanzlerin vom NSA überwacht wird – das geht offenbar zu weit! So war das nicht gemeint! Lieschen Müller, ja – Angela Merkel, nein! „Ausspähen unter Verbündeten – das geht gar nicht!“ ließ die Kanzlerin verlautbaren (an anderer Stelle sprach sie gar von „Freunden“)! Ein typischer Fall für die NIMBY-Theorie? Nun, Frau Merkel wird sich gewiss erinnern, wie das einst in ihrer ostdeutschen Heimat mit der „Freundschaft“ und der gleichzeitigen Bespitzelung war.

Bereits in der ehemaligen DDR war das Verhältnis von Überwachten und Überwachenden rekordverdächtig: Das Verhältnis von „informellen Mitarbeitern (IM)“ und Bürgern schwankte zwischen 80 und 160 Einwohnern je IM. Wollte man nun jeden seiner Bürger 1:1 überwachen, ginge das doch wohl zu sehr in die Kosten. Da ist eine vollautomatische, computergesteuerte High-Tech Überwachung, wie sie die USA entwickelt haben, das probate Mittel der Zeit.

Die NSA selektiert – übrigens bereits seit Jahrzehnten – täglich Millionen von Telefonaten, E-Mails usw. nach einer dynamischen Anzahl von Schlüsselwörtern: Wer also zum Beispiel „Bombe“, „Kommunismus“ oder „Bin im Laden“ schreibt oder sagt, wird vermutlich in Sekundenschnelle in einem Dateiordner landen, der dann alsbald weiter untersucht wird. Und das in allen bekannten Sprachen und Dialekten dieser Welt!  Natürlich sind 99,999 % der solchermaßen gefilterten Fälle – wie der im obigen Absatz – harmlos. Aber in dem restlichen Promille könnte sich ja ein Staatsfeind verstecken.

Mit diesen Mitteln versuchen Staaten sich gegen eben jene zu schützen, deren Angelegenheiten sie sich vorgeblich zu eigen gemacht haben.

Zwar kommt Edward Snowden als Kandidat für den nächsten Friedensnobelpreis wohl eher nicht in Frage, doch ihm politisches Asyl anzubieten, das traut man sich in Berlin garantiert nicht. Denn das wäre ein echter „Affront“ – sowas tut man unter Freunden nicht! Die SZ schreibt dazu ausgesprochen mutig am 8. November 2013:

„Es gibt auch noch einen ungeschriebenen Grundsatz, der über alledem schwebt und der sich auch in der unendlichen Zurückhaltung der Bundesanwaltschaft zeigt, gegen die USA wegen der Spionage auf deutschem Boden oder wegen Drohnensteuerung von deutschem Boden aus zu ermitteln. Ungeschrieben ist der Grundsatz: Die Bundesrepublik ist ein sehr US-fürchtiger Staat.“

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Eine Antwort zu Die Hybris um die NSA-Affäre

  1. Hans-Werner Kleindiek sagt:

    Seit längerem kursiert das Thema der Bespitzelung durch die ganze Welt – auch gut bekannt unter der Abkürzung „NSA“.

    Ich will jetzt gerne das ganze Theater um wenn und aber und wer mit wem und gegen wen weglassen. Fakt ist seit kurzem, dass der Herr Ströbele den Herrn Snowden in Moskau getroffen hat. In sehr publicityfähiger Manier wurde dann in den Medien über dieses Ein-Mann-Spektakel berichtet. Auch das interessiert mich erst einmal nur am Rande.

    Wichtig ist für mich einzig und alleine das Angebot, dass der Herr Snowden gerne nach Deutschland kommen würde (hier Asyl oder in einem anderen europäischen Land), um zu den bisherigen Fakten auszusagen. Alles ganz gut und ganz schön, ich habe nur eine große Sorge:

    Wir sind in unserem Land nicht in der Lage für die Sicherheit des Herrn Snowden zu garantieren. Weder durch rundum Bewachung, durch Polizei, Militär, GSG 9 oder was weiß ich wen auch immer, wird es uns gelingen für eine 100%ige Sicherheit und Unversehrtheit zu sorgen.

    Bei dem allen, was wir über Geheimnisdienste wissen, wird es den Amerikanern auf jeden Fall gelingen ihn zu entführen oder gleich zu töten (für die USA gelten nur diese beiden Kriterien). Wobei dann noch gar nicht geklärt ist, wer aus unseren eigenen Reihen oder durch andere Geheimdienste noch mitmischt.

    Und genau dann haben wir die schlechtesten Karten, die man sich nur denken kann. Dann haben wir einen „schwarzen Peter“ wie er besser nicht aussehen kann. Müssen wir uns das unbedingt antun? Soll doch ein Untersuchungsausschuss nach Moskau reisen? Nirgendwo ist er zur Zeit besser und sicherer aufgehoben als dort.

    Es mag jetzt viele Menschen geben, die diese Version als unbegründet und vollkommen überzogen abtun; doch wer bitte sehr, kann bei uns 100%ig für die Sicherheit des Herrn Snowden garantieren? Ich sehe niemanden, der den Amerikanern in diesem Fall Paroli bieten kann. Die USA will diesen Mann unbedingt haben (koste es was es wolle), und da ist ihnen jedes Mittel recht. Sicher ist er nur dort, wo er sich jetzt aufhält.

    Ich wünschte mir auch gerne mehr Klarheit; doch wem nützt es wirklich? Die Fakten sind hinlänglich bekannt, und das schon seit Jahren. Es macht keinen Sinn, einen neuen Krisenherd zu schaffen, auch wenn man den Amerikanern sicher einmal die Grenzen ihres Tuns aufzeigen muss. Allerdings sich ein Pulverfass ins Land zu stellen, an dem die Lunte bereits gelegt ist und jeder in der Welt nur darauf wartet, dass es zum großen Knall kommt, das sollte nun wahrlich nicht gerade bei uns passieren.

    Der deutsche König Sigismund sicherte dem Reformator Jan Hus in Jahre 1414 freies Geleit (einen salvus conductus für Hin- und Rückreise und die Zeit des Aufenthalts) zum Konstanzer Konzil. Es half Hus nicht, er wurde 1415 mitsamt seinen Schriften verbrannt.

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