Gelassenheit

Alle großen Metaphysiker raten uns zur Gelassenheit.

Angefangen hat es vermutlich bei den Epikureern und Stoikern: Für sie gilt es, seinen Platz in der Weltordnung zu erkennen und auszufüllen. Durch emotionale Selbstbeherrschung lernt der Stoiker sein Los zu akzeptieren und strebt mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe zur Weisheit.

Bei Meister Eckart im Mittelalter ist die Gelassenheit von einer mystischen Teilhabe am Göttlichen gekennzeichnet. Er überlässt die Dinge – ganz gemäß dem Glauben seiner Zeit – dem christlichen Gott. Oder wie Bach es in seiner Kantate ausdrücke: „Was Gott tut, das ist wohlgetan.“

Wie alles in dieser Welt, hat auch eine solche Geisteshaltung zwei Seiten: Wer den Dingen komplett ihren Lauf lässt, ist kein Handelnder, sondern ggf. Opfer der waltenden Verhältnisse. Kann, wer Augen und Ohren vor der Welt verschließt, nicht auch der Lethargie und Apathie bezichtigt werden? Schopenhauer windet sich mit seiner „Kunst der involvierten Distanz“ aus der Bredouille. Nietzsches hilft sich mit seiner „Gelassenheit des freien Geistes“, wie später Heidegger mit seiner „Gelassenheit gegenüber einer totalen Technik“.

Gewiss ist es eine wichtige Erkenntnis, den Dingen auch einmal ihren Lauf zu lassen und es „lassen“ zu können. Wer es dann gelassen „hat“, kann ggf. auch gelassen „sein“. Doch wer selber nicht handelt, wird behandelt. Und das kann furchtbare Folgen haben. Wie immer besteht die richtige Lösung wohl in einem „sowohl als auch“: Das Eine zu tun und das Andere zu lassen.

„Alles ist wie durch ein heiliges Band miteinander verflochten. Nahezu nichts ist sich fremd. Alles Geschaffene ist einander beigeordnet und zielt auf die Harmonie derselben Welt. Aus allem zusammengesetzt ist eine Welt vorhanden, ein Gott, alles durchdringend, ein Körperstoff, ein Gesetz, eine Vernunft, allen vernünftigen Wesen gemein, und eine Wahrheit, so wie es auch eine Vollkommenheit für all diese verwandten, derselben Vernunft teilhaftigen Wesen gibt.“ (Marc Aurel)

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