Zumindest Lohn

In Deutschland können 7 Millionen Beschäftigte von ihrer Vollzeitarbeit nicht leben.

Die Debatte um die Mindestlohn ist faktisch ganz einfach zu klären – abgesehen davon, dass immer die ihn bestreiten, die selber ein Vielfaches dessen verdienen, was sie anderen zugestehen wollen – so auch der „Wirtschaftsweise“ Prof. Dr. Christoph Schmidt, Chef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen.

Mit dem Top-Einkommen eines „Wirtschaftsweisen“ lässt sich immer gut über den maximalen Arbeitslohn der arbeitenden Bevölkerung befinden! Doch es wird Zeit, mit solchem neoliberalen Unsinn aufzuräumen:

– Man nehme einmal an, der Mindestlohn betrüge 8,50 Euro brutto
– Man lege ferner eine Arbeitswoche von 40 Stunden zugrunde

Das Jahr hat 52 Wochen macht 4,33 Wochen pro Monat. Bei 40 Wochenstunden sind dies 173,3 Stunden/Monat. Bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro sind dies 1473,05 Euro/Monat brutto. Bei Steuerklasse 1 ohne Kinder bleiben davon zur Zeit etwa 1069 Euro netto übrig.

Davon muss der Mensch jetzt leben – und später Rente beziehen. Diese wird jedoch gerade auf 43% des Nettoeinkommens vor Steuern abgesenkt, das macht in unserem Beispiel gerade mal 460 Euro Rente – ein klarer Fall für Hartz IV, Sozialhilfe oder wie immer das dann heißen mag!

Faktisch verlagern die Unternehmen damit ihre Personalkosten auf den Steuerzahler – immer mit dem Argument „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Arbeitsplätze“. Und manchem neoliberalen Kommentator ist es lieber, wenn der Staat mit Steuergeldern fehlenden Lohn aufstockt, weil bei Einführung von Mindestlohn „zwangsläufig“ Arbeitslosigkeit voll zu finanzieren sei. Interessant ist bei solchen miserabel zahlenden Unternehmen immer ein Blick in die Bilanz.

„Man muß, wenn von Freiheit gesprochen wird, immer wohl achtgeben, ob es nicht eigentlich Privatinteressen sind, von denen gesprochen wird.“ (Friedrich Hegel)

Wer später einmal eine Rente beziehen möchte, die just über dem Armutssatz liegt, müsste übrigens wesentlich mehr bekommen: Ministerin v. d. Leyen hat ausgerechnen lassen, dass ein Stundenlohn von 14,20 Euro (ca. 2500 Euro/ brutto Monat) nach 35 Jahren Vollzeitbeschäftigung nur zu einer Rente von 688 Euro führen würde – die Frage, ob 7,50 Euro, 8,50 Euro oder 10 Euro Mindestlohn ist mithin obsolet.

Prof. Schmidt vertritt übrigens nicht nur die Hartz IV Reformen, sondern auch vehement eine Erhöhung des Rentenalters auf 70 Jahre. Nun, als Weintrinker im öffentlichen Dienst mit Pensionsanspruch lässt sich eben immer gut über Wasser für alle predigen. Das sind die gleichen Herren, die immer predigen, dass „sich Leistung wieder lohnen müsse“.

Eine entscheidende Frage wir im Zusammenhang mit dem Mindestlohn gerne übersehen: Er setzt voraus, das es genug Menschen gibt, die so elend sind, ihre Arbeitskraft für einen „Hungerlohn“ verkaufen zu müssen!

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4 Antworten zu Zumindest Lohn

  1. Everhart Bilker sagt:

    Bravo ! Dem ist nichts hinzuzufügen.Punkt.

  2. Noel König sagt:

    Ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde hätte mit Sicherheit erhebliche negative Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote in Deutschland, da es schon ab ca. 4,- Euro Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland gibt. Das bedeutet, dass es besser ist niedrige Löhne aufzustocken als Arbeitslosigkeit zu 100% zu finanzieren. Die Marktwirtschaft entlohnt nach Knappheit und nicht nach Gerechtigkeit. Der Blick nach Frankreich zeigt deutlich, welche negativen Auswirkungen von einem Mindestlohn ausgehen, der über der Produktivität liegt. Finger weg von Mindestlöhnen!

  3. Aber den Damen Ihres „Eskort-Service“ zahlen Sie doch vermutlich etwas mehr? Liegt das an der höheren „Produktivität“?

    Und wie kommen Sie zu der Annahme, dass der Mindestlohn in Frankreich über der Produktivität liegt?

    Und weitere Frage: Ist die Produktivität eines Asset-Managers tatsächlich Millionen Euro wert?

    Nun, faktisch „produzieren“ weder Ihre Damen noch Investment-Banker etwas. Daher wäre wohl „Null-Euro-Lohn“ angemessener. Doch das Gegenteil ist der Fall. Soweit zu den „Marktgesetzen“.

  4. Jochen Voigt sagt:

    8,50 Mindestlohn halte ich für die absolut notwendige Untergrenze. Wer Vollzeit arbeitet, sollte zumindest davon leben können. Mittelfristig muß der Mindestlohn noch weiter erhöht werden, um eine auskömmliche Alterssicherung aus der eigenen Kraft erreichen zu können. Es ist zynisch, gering verdienenden Werktätigen zuzurufen, sie müßten mehr sparen, um für das Alter vorzusorgen!

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