Strafbefreiende Selbstanzeige

Wie parteiisch das deutsche Strafrecht sein kann, beweist die aktuell in den Gazetten  diskutierte „Selbstanzeige“ bei Steuersündern – wobei auch dieser Begriff ein interessantes Wort ist, denn handelt es sich ja nicht um kleine Sünderlein („Wir sind alle kleine Sünderlein“), sondern faktisch um Gesetzesbrecher.

Vermutlich soll die Straftat der sog. „Steuerflucht“ damit verklärend als eine Art „Kavaliersdelikt“ dargestellt werden – dafür musste man sich bisher unter Seinesgleichen keinesfalls schämen. Genau das hat sich entscheidend geändert: Die soziale Akzeptanz schwindet. Grund dafür sind nicht nur gesellschaftlichspolitische Veränderungen (Stichwort „Corporate Governance“ usw.), das zunehmende Risiko, erwischt zu werden, sondern vor allem die drastischen Verschärfungen am unteren Ende der sozialen Leiter (Stichwort „Hartz IV“ usw.).

Mit der Selbstanzeige wird „tätige Reue“ nach einem bereits beendeten Delikt mit Straffreiheit honoriert, ein Phänomen, das dem deutschen Strafrecht sonst fremd ist. Dies ist ein weiteres Indiz – neben der Tatsache legaler (wenn auch nicht legitimer) „Steuerschlupflöcher“ in sog. „Steuerparadiese“ (die Sprache des Geldes ist wirklich blumig) – dafür, dass Staaten ihren Bürgern mit viel Geldvermögen möglichst wenig Hindernisse in den Weg legen möchten.

Das ist an sich nicht verwunderlich: Geld ist nämlich nur dann wirklich wertvoll, wenn es zirkulieren kann – deshalb sucht „es“ auch ständig nach neuen renditeträchtigen Anlagesphären. Hürden wie Zollschranken sind da nur hinderlich. Doch die schönste Rendite lohnt nicht, wenn das Geld, das angeblich so hart gearbeitet hat, durch Steuern wieder dezimiert und dadurch zum Teil dem Anlagekreislauf entzogen wird.

Doch jetzt diskutieren die Parteien nicht etwa darüber, die Praxis der Selbstanzeige generell zu beenden, sondern nur nach Höhe der verschobenen Summe zu unterscheiden. Man stelle sich das nur einmal bei anderen Straftaten vor: Wer sich reuig wegen Schwiegermuttermords selbst anzeigt, bliebe straffrei, wer jedoch den Sheriff erschösse, wanderte ins Kittchen!

Faktisch fördert die strafbefreiende Selbstanzeige die Steuerhinterziehung: Selbst über viele Jahre betrieben Steuerhinterziehung kann jederzeit legalisiert werden, solange die Steuerfahnder den Täter noch nicht entdeckt haben. Zudem hat der deutsche Staat auch lieber volle Kassen als volle Kittchen: Bereits mehrere Milliarden Euro sind den Finanzbehörden immerhin durch Selbstanzeigen bisher zugeflossen – und das fast ohne Aufwand. Und so bleibt die Steuerhinterziehung weiterhin „kein Verbrechen, sondern ein  Reichensport“ (DGB-Chef Michael Sommer). Der Schein bestimmt das Bewusstsein!

Möglicherweise sind wir alle auch nur dem Irrtum aufgesessen, dass in einer demokratischen Gesellschaft gleiches Recht für alle gilt. Herr Hoeneß hat dabei nur ein bisschen Pech gehabt: Zur Beruhigung des Volkes hängt man ab und zu einen Großkopferten hin – sogesehen eine Art „Bauernopfer“. Damit wird zwar die Verwerflichkeit von Personen offengelegt, nicht jedoch die Verwerflichkeit von gesellschaftlichen Kausalitäten. Wir haben einen Staat, der für den Missbrauch durch die Reichen dieses Landes offenbar wie geschaffen scheint.

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