Im Wald, da sind die Räuber …

Wälder haben schon immer eine große Faszination auf den Menschen ausgeübt. Räuber, Geister und Hexen  versteckten und Kinder verirrten sich in ihm – wohl nicht nur im Märchen.

Publius Cornelius Tacitus beschrieb kurz nach Beginn unserer Zeitrechnung  Germanien als „terra aut silvis horrida aut paludibis foeda“ – ein Land, bedeckt von schrecklichen Wäldern oder abscheulichen Sümpfen. Ein Land, dessen Fläche zu vermutlich 70 % mit Wald bedeckt und klimatisch abweisend war, beeindruckte die Römer offensichtlich nachhaltig – und zwar negativ: Daheim hatte man ein ganz anderes Klima, wohnte in steinernen Gebäuden mit Wasserversorgung und teilweise sogar Fußbodenheizung.

In dieser Zeit waren die bewaldeten deutschen Mittelgebirge von menschlicher Einflussnahme noch weitgehend verschont. Auch in den Ebenen gab es damals große, zusammenhängende Waldgebiete. Die Eiszeit hat Mitteleuropa weitgehend entwaldet. Mit der Rückwanderung der Bäume nach dem Ende der Eiszeiten setzte auch die intensive Besiedelung der Region durch den Menschen ein.

Noch vor etwas mehr als eintausend Jahren war Nordeuropa von riesigen und undurchdringlichen Wäldern bedeckt. Viele Menschen lebten damals im Wald. Wölfen und Bären bot er ein gutes Versteck. Innerhalb von 300 Jahren schrumpften die Wälder um etwa die Hälfte. Je mehr die Menschen des Mittelalters den Wald rodeten, um Siedlungen zu bauen und Felder anzulegen, desto weiter mussten die Tiere zurückweichen. Heute ist es eine Sensation, wenn ein Wolf im Wald auftaucht.

Dabei war der Wald lange ein von Mythen und Sagen umwobener Ort in der Literatur, von Romantikern als Sehnsuchtsort verehrt: „Glaubt mir, denn ich habe es erfahren, du wirst mehr in den Wäldern finden als in den Büchern. Bäume und Steine werden dich lehren, was du von keinem Lehrmeister gehört hast.“ (Bernhard von Clairvaux)

Was heute an „Wald“ als Landschaftselement in Mitteleuropa vorhanden ist, ist eine geschaffene Kulturlandschaft. Einen mitteleuropäischen Urwald im eigentlichen Sinne, einen Zustand, bevor dieser jeglicher menschlicher Aktivität ausgesetzt war, gibt es hier nicht mehr: Der dunkle, unheimliche Wald des Mittelalters ging fast vollständig verloren.

„In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte“, meinte einst noch Franz Kafka. Mitte der 1960er Jahre öffnete man den Wald: Es entstanden Trim-Dich-Pfade, Wander- und Reitwege, Ruhebänke – der Wald bekam ein Bundeswaldgesetz und wurde demokratisch. Heute dient der Wald nicht mehr nur als Holzlieferent, sondern auch als Trinkwasserreservoir, ökologische Rückzugsfläche, Bodenschutz und Naherholungsgebiet.

„Leg Dich an einem schönen oder auch windigen Tag in den Wald, dann weißt Du alles selbst.“ (Robert Musil)

Blickt man heute aus der Vogelperspektive auf Deutschland, so sieht man einen gewaltigen Flickenteppich. Die sogenannte Kulturlandschaft hat den Wald weit zurückgedrängt. Und das, was vom Wald noch übrig geblieben ist, sind Forstlandschaften. Nur noch selten findet man ein Stück Wald, dass sich ganz selbst überlassen ist. Dabei sind immerhin noch 31% der Staatsfläche Wald.

 

 

 

 

 

Ich liebe den Wald“, lässt Nietzsche Zarathustra sagen: „In den Städten ist schlecht zu leben.“

Dieser Beitrag wurde unter Natur abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Im Wald, da sind die Räuber …

  1. Jochen Voigt sagt:

    Die Grabungsfunde entlang der Erdgaspipeline scheinen wohl in unserem Raum eine ununterbrochene ackerbauliche Nutzung seit der Bronzezeit zu belegen. Aber warten wir erstmal die genaue Analyse in aller Ruhe ab. Vielleicht muß die Geschichte umgeschrieben werden.

  2. Nun weiß ich auch nicht, welche Vegetationsform im heutigen Deutschland vor 5000 Jahren und mehr vorherrschend war, aber eines ist sicher: Großflächige Kulturlandschaften gab es da noch nicht!

Kommentare sind geschlossen.