Die lieben Nachbarn

Der Mensch ist offenbar ein unfriedliches Wesen. Ständig führt er irgendwo Krieg, wenn er meint, andere verhielten sich nicht so, wie er sich das vorstellt. Schon die Bibel ist voller Kriegsgräuel und Schandtaten.

Selbst in nächster Nähe ist der Frieden nicht sicher: Nachbarschaftsstreitigkeiten sind an der Tagesordnung; ob es nun der Maschendrahtzaun ist oder die überhängenden Zweige eines Baumes sind, fast überall gibt es Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn.

Mehr als die Hälfte aller Deutschen fühlen sich von ihren Nachbarn gestört. Fast jeder zehnte ist wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten schon mal umgezogen. Mehr als 8000 Streitfälle von Nachbarn beschäftigen jährlich die Zivilgerichte, hinzu kommen Tausende  Vergehen unter Nachbarn, die vor Strafgerichten landen. Nicht zu zählen sind die nicht geahndeten Vergehen.

Ist es die unnatürliche und zu geringe Distanz, die aggessiv macht? Vermutlich, denn der Mensch ist zwar ein Herdentier, jedoch lebte eine Sippe einst immer in genügender Distanz zur nächsten.

Und so fühlt sich der urbane Mensch huet womöglich eingeengt, beobachtet oder gar im wahrsten Sinne des Wortes beschnitten durch seinen Nachbarn. Grundsätzlich geht es immer darum, dass eine der Parteien nicht das tut, was die andere erwartet. Und nicht erfüllte Erwartungen führen zu Enttäuschungen und Frust – das nächste Mal wird der Spieß dann garantiert umgedreht!

Danach wird das Visier heruntergeklappt, man übersieht den Nachbarn, grüßt alsbald nicht mehr, der kalte Krieg ist ausgebrochen. Grenzen werden neu vermessen, Zäune werden neu gezogen oder erhöht. Sind diese zu hoch, gibt es böse Post und Einspruch, es droht ein Rechtsstreit.

Und alles nur, weil der Nachbar einfach nicht einsichtig ist und nicht tut, was man von ihm möchte! Was fällt dem eigentlich ein? Hält der sich für etwas Besseres? Womit verdient der eigentlich sein Geld? Wieso kann der sich so ein großes Auto leisten? Da stimmt doch was nicht! Na, und die Kinder sind auch ungezogen, grüßen nicht. Kein Wunder, bei den Eltern!

Sie hat ja die Hosen an. Er spielt zwar den starken Mann, aber letztlich hetzt sie ihn ja auf! Er hat doch nichts zu sagen bei ihr. Armes Schwein! Wie er da steht und glotzt! Neugierig sind beide ohne Ende. Und tratschen alles rum, die reinste Dorfzeitung! Die waren zwar noch nie bei Müllers an der Ecke, wissen aber genau, wie verwohnt die Wohnung ist! Nicht zu fassen!

Vielleicht gibt es aber auch gar keine Erklärung für Nachbarschaftsstreitigkeiten. Die gibt es ja nicht einmal für Kriege.

Dieser Beitrag wurde unter Modernes Leben abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.