Friedensreich Hundertwasser – ein überschätzter Künstler

Andächtig bewegen sich die meist jugendlich frisierten und gut situierten, überwiegend älteren  Damen, in modisch gut und eng sitzenden hundertwasserfarbenen Cord-Hosen von braun bis burgundrot und bunten Ringelpullovern, allein oder in Gruppen am 12. Dezember 2012 gegen 14:00 Uhr bei der Begehung der Ausstellung „Gegen den Strich (Werke von 1949 – 1970)“ von Friedensreich Hundertwasser, bürgerlich Friedrich Stowasser, durch die Ausstellung der Bremer Kunsthalle .

Sie machen etwa 90% der Besucher aus, schauen überaus versonnen und lauschen gleichzeitig entrückt per „Audioguide“ – meist linksohrig. Die Stille ist bedrückend. Niemand wagt es offenbar, diese zwar zufällige aber dennoch kollektive, nahezu kathedralische Andacht an den Künstler und seine Kunst zu stören. Also schaut, staunt und schleicht besonders frau sich durch die Ausstellung.

Den kritischen Betrachter hingegen beschleicht bereits nach wenigen Metern einmal mehr das Gefühl einem überschätzten Künstler auf dem Leim gegangen zu sein. Österreicher, pardon, Wiener haben mit ihrem „Schmäh“ bei so etwas ohnehin nur selten ein schlechtes Gewissen – und die Welt war schon immer voller Schelme und Scharlatane.

Manche Künstler pubertieren, phantasieren oder provozieren. Bei allem, was Stowasser tat, war er Autodidakt. Die Wiener Akademie der Künste besuchte er gerade einmal drei Monate. Nichtsdestotrotz hielt er sich selbst stats für die schöpferische Elite. Doch sind es nicht nur seine „Werke“ an sich, die einen danach fragen lassen, was daran – elitäre – Kunst sein soll. Es ist vielmehr der durchgängig „präpotente“ – um einmal im genuin österreichischen Jargon zu bleiben –  Anspruch eines Künstlers, der über die „Linie“ bramarbasiert, die „Spirale“ vermeintlich als Erster entdeckt haben will und sie zum Erhabenen hochstilisiert – wie er bei allem was er je sagte und tat, offenbar immer Weltgeschichte zu schreiben glaubte:

„Die gerade Linie ist keine schöpferische, sondern eine reproduktive Linie. In ihr wohnt weniger Gott und menschlicher Geist, als vielmehr die bequemheitslüsterne, gehirnlose Massenameise.“

Konzentrierte er sich in den ersten Schaffensjahren noch auf die Malerei, so schrieb Stowasser schon bald seine ersten Traktate, das „Verschimmelungsmanifest“ zum Beispiel.

Auch die Titulierung seiner Bilder hat es in sich: „Pissender Knabe mit Wolkenkratzer“ (bei den kunstinterressierten Damen, der Verweilzeit nach zu urteilen, das beliebteste Bild der Ausstellung) zum Beispiel oder „Fluidoide Persische Übung„, „Träumender Lastwagenfahrer mit seinen Häusern„, „Fischkrätenmann ganz Ohr„. Und wie später Joseph Beuys ist auch Stowasser davon überzeugt, dass jeder Mensch eine innere Schöpfungskraft besitze – also auch er selber. Vielleicht nennt er sich deshalb seit den 1970er Jahren Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser?

Auf die Meinung seiner Mitmenschen oder den gesellschaftlichen Konsens gibt er natürlich nichts. Ein echter Künstler eben. So wie der Schlingel Beuys auch alle und alles eingeseift, eingefilzt oder eingeschmiert hat. Die Kunstgeschichte hat ihn nie für voll genommen. Ob sich auch rechtshirnige Friedrich Stowasser ins Fäustchen gelacht hat über die allandächtige Rezeption seiner Werke? Nein, wohl eher nicht. Er erklärte seine betuliche Esoterik, Blütenkelche und Leuchtfeuer, die wie ein Drogenrausch wirken, schlicht zum „lebbaren Paradies“ im Hier und Jetzt. Doch letztlich endet seine Vision  im „auf Seidenschals, Regenschirmen, Geschirr und in massentauglichen Bauten in bunten Farben und geschwungenen Formen“ (SZ 18.01.2013). Daran ändern auch seine massenhafte Drucke und der riesige (und kommerziell offenbar überaus erfolgreiche) Bremer Museumsshop nichts, in dem man sogar Wolle in Hundertwasserfaben kaufen kann.

Dieser kleine, aufmüpfige und völlig untalentierte Beitrag ist natürlich nicht ernst zu nehmen, eben weil Kunst eine ernste Sache ist, und der Kaiser stets neue Kleider trägt.

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