Für eine neue Logik vom Lebensglück – durch Reduktion

Unser Zeitalter ist geprägt von der Vorstellung, dass man nur durch expansiven Konsum glücklich wird: Was kann ich noch zusätzlich kaufen, besitzen, mir aneignen? Welchen Ort könnte ich noch anfliegen, um bei meiner Suche nach dem Glück vielleicht doch noch fündig zu werden – wir berichteten über letzteres Thema bereits hier?

Wir waren gerade eine Woche in Marrakesch für 19,90 Euro mit Ryan-Air!“ (Rentner Frank A.)

Ich habe schon 50 Sakkos, sehe ein neues, kaufe es – um ein Jahr später festzustellen, dass ich es noch kein einziges Mal getragen habe! Wir wissen inzwischen, dass es nicht die Erfüllung eines Wunsches ist, was den Menschen befriedigt, sondern vielmehr das Generieren neuer Wünsche und die Vorfreude darauf: Wir suchen die Jagd, weniger die Beute!

“Alle Dinge sind rastlos tätig, kein Mensch kann alles ausdrücken, nie wird ein Auge satt, wenn es beobachtet, nie ein Ohr vom Hören voll.”
(Kohelet)

Nur zu gerne würden wir alle Torten in der Vitrine der Konditorei aufessen, besonders, weil wir uns das finanziell durchaus leisten könnten. Und doch wir müssen auf die meisten dieser Gebäcke verzichten und eine Entscheidung für ein, maximal zwei Stücke treffen. Das schmerzt und ist Ansporn zugleich für das nächste Mal!

Wir leben in der wirtschaftlich reichsten Periode der Geschichte unseres Planeten. Doch es scheint paradox: Je mehr wir haben, desto mehr wollen wir – zwischen dem, was wir haben und dem, was wir wünschen, klafft immer eine Lücke. Der Anstieg des Angebots wird daher den Anstieg der Nachfrage nie einholen können. Näheres dazu finden Sie hier.

Schampus und Lachsschnittchen für alle!

Selbst Menschen mit kleinem Einkommen haben inzwischen durch Aldi, Lidl, IKEA („Lebst Du noch oder wohnst Du schon?„), Tchibo (verspricht nicht weniger als: „Jeden Tag eine neue Welt!“), Rudis Resterampe usw. viele Mögichkeiten, angeblich konsumierend glücklich zu werden. Darin besteht ja gerade der geniale Trick solcher Wirtschaftsunternehmen – der Herstellung einer vermeintlichen Demokratisierung des Wohlstands: Auch ich kann nach San Tropez fahren und in einer Bettenburg mit 3000 anderen übernachten oder mit 5000 anderen Menschen („ohne meinen alltours sage ich nichts„) auf Kreuzfahrt gehen. Man gönnt sich ja sonst nix, denkt der kleine Mann und fühlt sich wenigstens einmal im Leben kurzfristig wie Graf Koks von der Gasanstalt:

„Wir waren neulich auf Malle. Hat ein Heidengeld gekostet. Da war ein Fernfahrer mit seiner Familie, zwei Kinder. Ich frage ihn, eh, Macker, wie machst Du das eigentlich mit Deinen 2000 Euro netto„? (Friseur Christian B.)

Unsere Lebenszeit reicht gar nicht mehr aus, sie konsumptiv glückstiftend auszuschöpfen. Immer wieder fallen wir auf die säkularisierten Mikroevangelien des angeblichen Glücks durch Güterwohlstand herein. Doch das Angebot ist größer als unsere Möglichkeiten. Ja, mehr noch, wir konsumieren so viel, dass uns die Zeit fehlt, dabei glücklich zu sein! Denn wir müssen ja noch mehr arbeiten und verdienen, um das kaufen zu können, was wir weder wirklich brauchen noch faktisch entbehren. Wir vergessen darüber ganz, dass Zeit ist ein knappes Gut und nicht vermehrbar ist!

Wir sind an einem Punkt, wo uns der Wohlstand unfrei und angreifbar macht. „Eigentum verplichtet“ (GG 14, Abs. 2). Damit kein Missverständnis entsteht: Die Kunst des glückstiftenden Konsums besteht keinesfalls im totalen Verzicht, sondern vielmehr in der Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche. Es geht zum Beispiel auch darum, Dinge länger zu nutzen, zu reparieren oder mit anderen zu teilen:

„Ich habe meinen VW-Bus verkauft! Der stand sowieso 300 Tage im Jahr still. Wenn ich  jetzt mal ein Auto brauche, hole ich mir das bei cambio.“ (Zahnarzt Dr. Florian C.)

Das ist auch gelebte Ökologie. In der Wirtschaft ist das Signal bereits angekommen: „Downsizing“ lautet das neue denglische Zauberwort. Doch die Tugend des Verzichts wird es in einer Gesellschaft, die das „Goldene Kalb“ des Geld- und Güterwohlstands seit Jahrtausenden anbetet und umtanzt, wohl schwer haben, sich als neue Moral durchzusetzen.

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2 Antworten zu Für eine neue Logik vom Lebensglück – durch Reduktion

  1. Jochen Voigt sagt:

    Das sehe ich genau so! Unser Lebensraum auf diesem Planeten kann den exzessiven Konsum sowie so nicht auf Dauer aushalten. Wir haben nur noch die Wahl, unseren Lebensstil aus eigener Entscheidung anzupassen oder den großen Crash abzuwarten. Also ich bevorzuge Ersteres.

  2. Dieter Osmers sagt:

    i soag nur oasn : „Do koanst nix mitnehma“
    http://www.youtube.com/watch?v=PciJreaXQH4&feature=related

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