Rode Grütt!

Schon lange ist es mir ein Anliegen mit einer heutigen Vorstellung ein klein wenig aufzuräumen.

Rode Grütt (auch bekannt unter dem Namen „Rote Grütze“), wird heute überall angeboten und in vielen Rezepten und Fernsehsendungen vorgeführt und praktiziert. Lecker! Und es gibt viele Menschen, die diese Nachspeise gerne übernehmen.

Allerdings, und das genau ist mein Ärgernis, es wird dabei völlig vergessen, was dieses Essen früher einmal war; denn in der heute bekannten Version aß das früher niemand (außer in gut betuchten Haushalten).

Rote Grütze, das war für uns früher (mir bekannt als Kind der Nachkriegsgeneration) ein Hauptgericht im Sommer. Die „rote Grütze“ war ausgekochter Rhabarber mit Sago (wenn es ganz wertvoll werden sollte, dann war eine Stange Kaneel enthalten). Dazu gab es kalte Milch (im Sommer optimal). Die wirklich reichen Leute nahmen statt Milch sogar flüssige Sahne dazu. Natürlich wurde man davon nicht so recht satt (hielt ja nichts vor). Also gab es vorher eine Pfanne Bratkartoffeln (wenn es gut war, mit einem Brathering oder auch etwas fetten Speck, durchwachsener war zu teuer – und früher hatten die Schweine ja noch Speck).

Das war für uns ganz normal und richtig lecker. Es gab auch eine Grütze mit Stachelbeeren – die war natürlich weiß oder grünlich; aber ansonsten nach dem gleichen Rezept.

Eine Grütze wie sie und heute allerorten aufgetischt und angezeigt wird kannten wir überhaupt nicht, dass war etwas für die bessere Gesellschaft. Dennoch gibt es zu heute einen interessanten Unterschied: Heute kann man sich das frische Obst für eine rote Grütze kaum noch leisten. wenn man es nicht selber im Garten hat. Wer kann denn schon frische Kirschen oder gar echte Bickbeeren bezahlen? Das ist purer Luxus und man greift allenfalls zu tiefgefrorenen Früchten – wobei man nie weiß, wo sie denn herkommen.

Was sind wir doch für eine arme Gesellschaft geworden in der man sich nicht mal mehr frisches Obst leisten kann? So gesehen ist die „rode Grütt“ immer noch ein Luxusartikel

Mir schmeckt das nach wie vor so wie früher.

Hans-Werner Kleindiek

Rode Grütt

Rode Grütt! Rode Grütt!
Kiek mal, wat lütt Hein hüüt itt.
All´ns rundüm hett he vergeten.
Rode Grütt, dat is en Eten!
Rode Grütt!

In de School de letzte Stünn
kunn he sick op nix besinn´n,
un in´t Bookstabeern un Lesen
is he lang so dumm nich wesen.
Man he keem bi dat un düt
jümmer mang de Rode Grütt.
Rode Grütt!

„Na, lütt Heini, noch en beten?“
Mudder het hüüt veel to möten.
Hans un Hein un Stien un Greet
eet, as güng dat üm de Wett,
Rode Grütt!

Leddig is de grote Grapen.
Greten ielt, em uttoschrapen.
Heini man, de lütte Deef,
höllt mit beide Hann´n den Sleef.
Wat dor all´ns noch binnen sitt!
Rode Grütt!

(Hermann Claudius 1878 – 1980)

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Eine Antwort zu Rode Grütt!

  1. Hans Uwe Franzen sagt:

    Guten Tag Herr Heidtmann

    Vielen Dank für Ihre Darstellung der Geschichte der Roten Grütze. Wenn ich nach echter roter Grütze frage wird mir der Fruchtmix aus der Tiefkühltruhe vorgesetzt. Nicht die Fruchtgrütze der Jahreszeit entsprechend, anfangend mir Rabarber im Frühjahr und endend im Herb mit Apfelgrütze. Wir haben den Zusammenhang mit den Jahreszeiten vergessen.

    Mit freundlichen Grüssen Hans Uwe Franzen

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