Über unsere Verhältnisse?

Wer mehr Geld ausgibt als er zur Verfügung hat, gerät alsbald in Schwierigkeiten. Man sagt dann, er habe „über seine Verhältnisse gelebt“.

Auch die Kanzlerin hat bereits mehrfach verlautbaren lassen, dass wir, das deutsche Volk, über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Es ist daher an der Zeit, einmal a) zu fragen, welches denn „die Verhältnisse“ sind, in denen wir uns idealerweise hätten aufhalten müssen und nun einfinden sollen, was also die Referenzgröße, das tertium comparationis ist, und b) wer  wann und wo über die Stränge geschlagen hat?

Keinesfalls dürfen wir uns bei möglichen Erklärungmodellen mit einem Land vergleichen lassen, dessen BIP auf dem Niveau eines Entwicklungslandes liegt! Vergleiche können sinnvoll nur mit vergleichbaren Nationalökonomien gezogen werden. Doch siehe da, wir  liegen so gesehen eher im unteren Mittelfeld der Ausgaben- und Verschwendungssucht.

Auch hat nicht etwa das Gros der Bundesbürger mehr Geld ausgegeben als sie besitzen – trotz der vielfachen täglichen werblichen Verlockungen, genau das zu tun: „Kaufen Sie jetzt, bezahlen Sie später!“

Die meisten Bürger haben nur das ausgegeben, was sie verdienen. Gewiss, mancher hat einen Kredit aufgenommen, um größerer Anschaffungen zu meistern. Jedoch haben fast alle privaten Kreditnehmer stets ihre Kredite zurückgezahlt.

Das liegt auch daran, dass die Banken ihnen idR auch keine utopischen Geldsummen ausleihen, sondern nur solche, die den „wirtschaftlichen Verhältnissen“ des Kreditnehmers entsprechen. Die Zahl der Insolvenzen (privat und unternehmenerisch) ist daher überschaubar geblieben und hat keine einzige Bank in den Ruin getrieben!

Wer also hat da über seine Verhältnisse gelebt? Wir ahnen es, es ist der deutsche Staat, der in den vergangenen 50 Jahren mehr Geld ausgegeben hat als er einnahm! Doch wofür hat er dieses Geld ausgegeben? Für seine Bürger? Für den Bau von Straßen, Schulen Krankenhäusern? Ja, gewiss auch. Für die soziale Absicherung der Armen und Alten? Ohne Zweifel auch das. Doch viel zu viel Geld ist in ganz anderen Haushaltssparten versickert: Gigantische Subventionen für die Wirtschaft, immense Beträge für die weitere internationale Aufrüstung der Bundeswehr, irrsinnige Ausgaben von Bund und Ländern für öffentliche Prestigeobjekte – der Neubau des BND in Berlin und Umzug von Pullach allein kostet 1,5 Milliarden Euro.

Aus eigenen Mitteln war das mit den Staatseinnahmen nicht zu finanzieren. Also lieh man sich Geld, zum Beispiel bei den Großbanken. Diese Banken haben dem deutschen Staat sehenden Auges mehr Geld geliehen haben als er jemals zurückzahlen kann. So schafft man Abhängigkeiten.

Als die Banken sich dann in der amerikanischen Immobilienblase verspekuliert hatten, rettete man diese – wo sollte man denn auch sonst in Zukunft sein Geld leihen? Wer kann da noch „nein“ sagen zu einem Bankenrettungsplan?

Man darf sich das cum grano sales so vorstellen, dass ein Großteil des deutschen Staates als Sicherheit bei den Großbanken hinterlegt wurde – und jene eben dieses Kapital verzockt haben. Was dann nur noch bleibt, ist eine sinnbildliche und vorübergehende Notgemeinschaft aus Ratte und sinkendem Schiff. Die entscheidende Frage ist nun: Wer geht zuerst von bzw. über Bord?

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