„Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis!“

Über die Kunst, auch mit kurzen Sätzen voll daneben zu liegen.

„Wir danken für Ihr Verständnis!“ liest man immer wieder auf den Autobahnschildern am Ende einer Baustelle mit Geschwindigkeitsbeschränkung. Solche Sätze machen mich wütend. Wie kann jemand Unbekanntes mir unterstellen, dass ich Verständnis für das Autobahn-Geschaufel habe. Was erlaubt sich diese gesichtslose Person? Und wer ist „Wir“ überhaupt?

Gleiches hört man oft in Zügen der Bahn, nachdem Verspätungen angekündigt wurden. Bei aller Höflichkeit des Bedankens in diesem Satz – er unterstellt mein Verständnis und das verbitte ich mir!

Stellen sie sich vor, jemand in der Schlange im Supermarkt fährt ihnen mit seinem Einkaufswagen hart in die Hacken. Schmerzen! Starke Schmerzen! Sie schauen sich entrüstet um und er lächelt Sie an und sagt: „Entschuldigen Sie bitte! Danke für Ihr Verständnis!“ Da möchte man doch ausholen, und wenn er am Boden liegt und die Lippe blutet IHM sagen: „ …und ich danke für Ihr Verständnis, dass ich so aggressiv werden kann!“

Diese „Wir … „, nennen wir sie „Marketing-Experten“, produzieren häufig solchen seelenlosen Wortmüll. Wenn es nicht das geschriebene Wort ist, geben sie es als „Sprach-Anweisung“ an die Mitarbeiter raus, die es oft fatalistisch runterbeten und sich ihrem Schicksal fügen müssen.

Ein anderes Beispiel: „Unser Serviceteam erwartet sie gerne in dem Speisewagen!“ Was soll dieses „gerne“ in dem Satz? Das ist nicht nur rumgeheuchelt sondern auch – nach meinem Verständnis und ohne meinen alten Deutschlehrer konsultiert zu haben – falsches Deutsch. Ich kann jemanden gerne bedienen oder willkommen heißen, aber jemanden nicht „gerne erwarten“, sondern höchstens „in freudiger Erwartungen seiner harren“. Das wäre dann aber selbst für die Marketingabteilung der Deutschen Bahn deutlich zu anspruchsvoll.

Solche Sätze zu formulieren, ist falsch verstandener Service, bzw. falsch verstandenes Bemühen um den Kunden/ Autofahrer. Noch dramatischer wird es, wenn in einem telefonischen Service-Center den Mitarbeitern Satzkonstruktionen vorgegeben werden, die sie am Ende runterbeten müssen. „Danke, dass sie sich für … entschieden haben!“

Mit solchen Sätzen macht der Mitarbeiter oft das kaputt, was er im Gespräch mit dem Kunden mühsam aufgebaut hat. Denn Kundenbindung entsteht hier nicht durch Wortgeklingel, sondern durch die Qualität der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Kunden.

Wer versucht, Mitarbeiter in Formulierungskorsetts zu schnüren, nimmt ihnen ihre Identität. Das merkt der Gesprächspartner, und er wird es hassen, mit solchen „Sprachrohren“ zu telefonieren. Außerdem: Spätestens beim zweiten Anruf sind diese Worthülsen vom Kunden als Floskel enttarnt. Das ist dann peinlich – manchen „Marketingexperten“ vielleicht nicht peinlich genug.

Um an werbenden Zunft einige gute Haare zu lassen – es geht auch anders: An einigen Autobahnbaustellen sieht man innerhalb der Baustelle „Smilies“ mit den Kilometerangaben über die Restlänge der Baustelle. Am Anfang sind sie dunkelrot und traurig. Über orange bis gelb sind sie am Ende dunkelgrün und lächelnd. Das letzte Schild ist dann mit dem Wort „Geschafft“ gekennzeichnet. Diese Schilder sprechen eine klare Sprache derjenigen, die die Verantwortung für die Verkehrsbehinderung haben: „Wir wissen, Sie ärgern sich jetzt und wir wissen, dass wir Ihnen diesen Ärger nicht nehmen können. Da müssen Sie jetzt einfach durch!“ Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mit einer solchen Aussage kann ich viel besser leben!

Thomas Gerke

 

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