Sehnsucht, so eine geläufige Definition, ist ein inniges Verlangen nach einer Person oder Sache. Sie ist meist mit dem schmerzhaften Gefühl verbunden, den Gegenstand der Sehnsucht – zumindest temporär – nicht erreichen zu können.
Die blaue Blume ist seit der Romantik (Novalis) das Symbol der Sehnsucht, ein Gefühl, das offenbar jeder kennt – und das Wissenschaftler bis heute kaum erklären können. Denn Sehnsucht ist ein komplexes und höchst individuelles Ding.
Sehnsucht kann sowohl in die Vergangenheit – in der Literatur kennt man zB die „Madeleine-Episode“ bei Marcel Proust – als auch in die Zukunft gerichtet sein. Oft wünscht sich der Mensch gerade das, was er zur Zeit nicht bekommen kann, Freiheit zum Beispiel. Friedrich Schiller schrieb ein Gedicht über die Sehnsucht. Manchmal ist die Sehnsucht gar irreal: Man sucht etwas, das man nicht bekommen kann: Utopia.
Vielleicht liegt darin ihr oftmals melancholischer Reiz? Das Gras scheint eben immer grüner auf der anderen Seite des Zaunes. Millionen von DDR-Bürgern sehnten sich nach dem Westen. Heute haben nicht wenige Sehnsucht nach der alten DDR.
Bundespräsident Joachim Gauck, selber in der DDR aufgewachsen, beschreibt Sehnsucht überaus anschaulich und nachvollziehbar so:
„Solange man sich nach einem Ziel sehnt, sei es ein geliebter Mensch, sei es ein berufliches Ziel oder ein Ort, hat man eine unglaubliche Spannkraft, man lebt mit dieser Sehnsucht wie mit einem Zwilling. Und daraus erwachsen einerseits Hoffnungen, andererseits Verweigerungshaltungen. Wenn es gut geht, kommt man am ersehnten Ziel an. Man freut sich, genau da wollte man hin. Und dann kann es passieren, dass in der Seele eine leere Stelle ist. Die Freude kann nicht den ganzen Raum besetzen, den die Sehnsucht einnahm. Und dann kann es geschehen, dass man Sehnsucht nach der Sehnsucht hat.“