Über das Eigentum – alles meins?

Einst war der Mensch nomadisch, und die Frage des Eigentums reduzierte sich auf das, was er tragen konnte. Materielle Güter hatten kein großes Gewicht, weil ihr physisches Gewicht sie an einen Ort gebunden hätte.

In der Tat besitzen nicht nur wir die Dinge, sondern besitzen und fesseln uns die Dinge auch: Die Freiheit, aufzubrechen wohin wir wollen, wird dem Komfort geopfert. Für den Fall, dass man doch mal die Zelte abbrechen muss, hat man inzwischen das Papiergeld bzw. den bargeldlosen Geldverkehr usw. erfunden – das Mitführen von schweren Edelmetallen war nicht nur beschwerlich, sondern auch gefährlich.

Auch die Stoiker betrachteten sich als umso freier, je kleiner ihr Besitz war. Wer mit wenigen Dingen auskomme, sei auch mit weniger Dingen zufrieden. Nach Platon führt Eigentum den Menschen von dem weg, was wirklich wichtig ist – Erkenntnis. Fortschritt bestand für ihn im Verzicht auf Konsum.

Damit standen die Stoiker allerdings im diametralen Gegensatz zu den Hedonisten: Wo Stoiker das Glück in der Verringerung der Nachfrage sahen, suchten die Hedonisten es in der Vergrößerung des Angebots. Aristoteles verwies auf die positive Motivation, die sich aus dem Verlangen nach materieller Sicherheit ergibt.

Bevor es so etwas wie Staaten gab, die Einzelpersonen zur Durchsetzung ihrer „Eigentumsrechte“ verhalfen, war der Eigentumsbegriff weitgehend unbekannt – wer stärker war, nahm sich einfach, was er brauchte. Die griechische polis ging dann einst davon aus, dass der Staat das Eigentum der Bürger sei. Dass wir heute eine Sache als unser Eigentum bezeichnen, geht zurück auf das römische Recht.

Der Begriff „dominium“ (abgeleitet aus dominus = Herr bzw. domus = Haus) taucht gegen Ende der Römischen Republik, also ca. 100 Jahre vor unserer Zeitrechnung, auf, als Rom eine echte Sklavenhaltergesellschaft wurde – man schätzt den Anteil der Sklaven auf etwa 30 – 40% der Bevölkerung der italienischen Halbinsel zu dieser Zeit.

Im römischen Recht bezeichnete „dominium“ eine Beziehung zwischen einer Person und einer Sache, die durch eine absolute oder unumschränkte Verfügungsgewalt dieser Person über diese Sache charakterisiert ist. Das Bedürfnis dazu entstammte offenbar der o. a. Sklaverei.

Um den Begriff des Eigentums zu verstehen, bedarf es eines weiteren: „libertas“ (Freiheit). Freiheit war in nuce schlicht Macht; Freiheit war im Kern das Recht, mit seinem Eigentum zu tun, was man wollte – ganz gleich ob Sache oder Mensch.

Zur gleichen Zeit wurde Eigentum dadurch nicht nur zu einem Recht, sondern auch das Recht selber wurde zu einer Form des Eigentums. Was zunächst wie ein Paradoxon klingt, ergibt sich aus dem Gedanken, dass wir Rechte an einer Sache „haben“, dass Recht also etwas ist, das man besitzen kann.

Der Staat war dann das Organ, dem die Bürger ihre natürlichen Freiheiten übertrugen – im Grunde ein Vertrag zwischen Bürgern und ihren Herrschern – seitdem wacht der Staat über das Recht. Im Gegenzuge stehen seine Bürger bei ihm in der Schuld, die sie wiederum zB durch Steuern, Kriegsdienste usw. ablösen können.

Vielfach ist versucht worden, das menschliche Streben nach Eigentum zu erklären. Die Sozialisten betrachten es schlicht als ein Ergebnis des Mangels – wenn erst genug von allem für alle vorhanden sei, sei das Problem obsolet. Doch scheint der Konsum in unserer Überflussgesellschaft ungebrochen und dieser These mithin zu wiedersprechen. Die Biologen meinen, es rühre rudimentär aus der Zeit her, dass der Mensch um seine physische Existenz kämpfen musste, der Urmensch also einmal mehr in uns. Die Psychologen glauben gar, es handele sich letztlich um die Sublimierung des Verlangens, sich etwas „einzuverleiben“ – die Verlängerung der Zufuhr von Speisen, mit denen der Körper als äußerster Bezugspunkt des Ich am Leben erhalten wird.

„Alles ist doch nur geborgt, nicht nur Geld, auch Intelligenz und Schönheit, Talent und Jugend, Stärke und Glück.“ (Konstantin Wecker)

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