Bernd Meier, ehemaliger Redakteur des „Weser-Kurier“ und mit jetzt über 60 Lebensjahren offenbar freier Mitarbeiter, entdeckt im „Kurier am Sonntag“ in seiner Kolumne „Meier mault“ an den Osterfeiertagen nachträglich ganze 14 Stunden Krimi allein im Abendprogramm von ARD und ZDF – von den „Privaten“ gar nicht erst zu reden!
In der Tat war der “Krimi” noch nie so erfolgreich wie heute – gleichzeitig war er aber auch noch nie so bodenlos schlecht – was sich logisch bedingt, denn immer wenn Masse produziert wird, bleibt Klasse auf der Strecke. Kein Tag und kein Programm, das nicht irgendeinen Kommissar auf die Mattscheibe brächte. Allein schon die Liste der „Tatort“-Kommissare ist ellenlang.
Doch warum so viel Grusel am Abend? Damit man sich erleichtert ins Bett begeben kann mit dem Gefühl, dass es drinnen eben doch viel besser ist als da draußen? Bereits Goethe beschrieb das Phänomen in seinem Faust II:
„Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.“
Ist der Krimi also ein banales Mittel zu so einem banalen Zwecke? Oder dient er womöglich der weiteren emotionalen Abstumpfung in einer zunehmend dumpfen und zunehmend gewalttätigen Gesellschaft? Heißt ein mögliches Ergebnis nicht Breivik?
Dabei ist der Krimi weitestgehend wirklichkeitsfremd. Denn im wirklichen Leben erklären sich vor allem Morde – denn darum geht es ausschließlich im Krimi – überwiegend von selbst. Meist handelt es sich um Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge. Der Mord im Krimi muss vom Ursachen- und Tätergeflecht hingegen immer verschraubter ausfallen. Und ein Toter reicht schon lange nicht mehr, es muss schon ein manischer Massenmörder, am liebsten aus guter Gesellschaft sein, der zudem noch jede Folterkammer des Mittelalters als läppischen Kinderkram aussehen lässt.
Ohne Obsession, Perversion und Sadismus geht inzwischen scheinbar nichts mehr. Dass die Handlung dabei oftmals weder konsistent noch stringent ist, also weder Hand noch Fuß hat, spielt keine Rolle. Was an Sinn und Verstand fehlt, wird mit immer größerer Brutalität wettgemacht. Besonders die schwedische Autorenbande hat keinerlei Botschaft, keinen höheren Sinn, meist nicht einmal Spannung mehr.
Das war vor einigen Jahrhunderten ganz anders als Shakespeare schrieb „A faint cold fear thrills through my veins!“ (Romeo and Julia) Und rätselte man vor einigen Jahrzehnten als Zuschauer noch überwiegend, wer wohl der Mörder war (man denke nur an die unvergleichlichen frühen Kriminalfilme von Francis Durbridge, mit denen man jetzt allerdings keine Quote mehr erfüllen könnte), geht es heute im „Thriller“ eher darum, den Zuschauer entweder technisch raffinierte und atemberaubende „Stunts“ zu bieten oder ihn mit dem Geplänkel von inzwischen fast immer zwei Kommissaren vermeintlich zu unterhalten – Dick und Doof lassen grüßen. Dass die ermittelnden Beamten allesamt familiär kriseln und mehr oder weniger alleinstehend, neurotisch und kinderlos sind, sei am Rande vermerkt.
Da bleibt also einmal mehr der besorgte Blick auf den geistigen Zustand der Nation: Denn die Sucht nach Nachschub, so geistlos dieser auch sein mag, ist offenbar groß.
Hallo!
Im Familienkreis werde ich entweder belächelt oder ermahnt, weil ich es mir zur Angewohnheit gemacht habe, neben der selbstverständlichen Morgenlektüre des Weser-Kuriers und des Nachrichten-Checks im Internet auch das tägliche TV-Programm im einschlägigen Magazin zu begutachten und mir die für mich interessante Sendung am Abend herauszufiltern. Das empfinden Frau und Tochter als zu TV-fixiert.
Der Vorteil ist aber, dass ich am Abend nur das schaue, was ich mir vorher gezielt ausgewählt habe. Dadurch vermeide ich eine abendliche Belästigung durch allmögliche Trivialitäten und nervigen TV-Schwachsinn.
Ich weiß nicht genau, wie viele Sender ich in meinem Fernseher empfangen kann – es sind wahrscheinlich über fünfzig. Schon allein aus diesem Umstand ergibt sich notwendigerweise eine Anhäufung von minderer Qualität. Also muss ich wählen. Und es ist grundsätzlich ja prima, dass ich aus einem großen Angebot das heraussuchen kann, was mich interessiert und nicht nur das konsumieren kann, was für mich von anderer Stelle ausgesucht wurde.
Allein, ich muss dieses Angebot der Auswahl auch bewusst nutzen, sonst erliege ich wahrscheinlich den zweifelhaften Verführern.
So ungefähr alle drei Monate gehe ich ins Kino. Natürlich nur in einen Film, über den ich vorher gehört habe und der mir verspricht, mich besonders zu interessieren. Nie käme mir in den Sinn, mich bewusst für einen „falschen“ Film zu entscheiden. Und selten hört man, dass das Kinoprogramm so schlecht sei, dass man sich gezwungen sehe, einen vermeintlich miesen Film zu sehen. Warum nicht so auch beim Fernehen?
Wenn ich mir also die 10 Minuten Mühe mache auszuwählen, ob und was ich im Fernsehen sehen möchte, erspare ich mir Ärger über verlorene Zeit und hirnlose Inhalte.
Der Rest des Programms ist Ansichts- und Geschmacksache, über die sich ja immer trefflich streiten, jammern und schimpfen lässt …
Gruß von mir.
Lieber Everhart,
in der Tat ist auch in dieser Lebenssituation ein strukturiertes Vorgehen hilfreich – ähnlich beim Einkaufen mit und ohne Zettel.
Ich habe wohlgemerkt nicht auf das Fernsehen generell eingeschlagen – das hole ich ganz schnell nach, versprochen! – sondern auf die zunehmende Anzahl von Krimis. Du entsinnst Dich sicher, dass Bill Ramsey schon sang, dass seine Mimi ohne Krimi nie ins Bett ging.
Auslöser war eine erneute Diskussion am Samstag über Stieg Larsson, dessen Buch „Die Verblendung“ ich für total misslungen halte. Seit zwei Jahren kriseln schon Freundschaften, weil ich der zunehmenden Darstellung von Gewalt so gar nichts abgewinnen kann. Mancher hält mich deshalb für „weltfremd“. Das kann einem tatsächlich so vorkommen, wenn man morgens die Zeitung aufschlägt und über die wahnsinningen Bemühungen diverser Staaten liest, die unbedingt andere auslöschen wollen. Doch auch hier bin ich der Meinung, dass Gewalt nichts löst. Quiz-Sendungen (siehe ZwG) und Talk Shows (siehe ZwG) allerdings auch nicht!
LG K