Die Bank vor dem Haus

Repro: W. Meyer

Früher gehörte zu jedem Bauernhof eine Bank vor dem Haus. Da saßen meist die „Altenteiler“ und schauten dem Treiben zu. Abends saß dort auch der Bauer und die Bäuerin selber und nahmen wahr, wie der Tag sich neigte, wie alles still wurde. Jetzt tat man einfach mal nichts. Man spürte die Gegenwart und genoss die Zeit.

Die Zeit hatte eine andere Qualität für sie.  Jahrtausende lebten sie im Rhythmus der Natur – nicht der Uhr. Noch vor 500 Jahren lebten die Menschen in einer Ereigniszeit. Die Welt war konkret wahrnehmbar. Die Natur organisierte den Ablauf der Arbeit. Die Zeit, die Aufteilung des Tages, des Jahres, war Aufgaben bezogen nicht zeitorientiert, man dachte zB noch in „Tagewerken“ oder „Morgen“. Der lat. Begriff „tempus“ benennt sowohl die „Zeit“ als auch das „Wetter“.

Uhrzeit ist Menschenwerk. Sie entstand mit der Ablösung der Zeitwahrnehmung von der Natur. Im Zeitalter der industriellen Produktion löst sich die Zeit endgültig von der
Natur. Davor waren Natur und Zeiterleben identisch. Man war eins mit der Natur.

Der moderne Mensch achtet nicht mehr auf die Natur. Selbst das Wetter hat trotz Wetterkarte seine Bedeutung weitestgehend für ihn verloren. Er braucht keine „Bauernregeln“ oder einen „Hundertjährigen Kalender“. Er hat Winterreifen und beheizte Gewächshäuser.

Die zyklische Vorstellung der Naturzeit als einen großen Kreis wird abgelöst von einer linearen des andauernden Fortschritts. Mit der Auflösung der natürlichen Zeitmuster verschwinden die Orientierungsmarken und hinterlassen eine Leere. Doch trotz elektrischen Lichts wird der Mensch weiterhin abends müde.

Solche Augenblicke, in denen wir absichtslos einfach nur dasitzen und den Gedanken nachhängen, sind fruchtbare Momente. Da kommen neue Ideen. Wer ein Problem in solches „Nichtstun“ mitnimmt, löst es meist. Es relativiert sich zumindest. Und oft genug findet sich gerade in solchen Augenblicken eine Lösung, auf die man durch angestrengtes Nachdenken nicht gekommen wäre.

Doch heute ist es auch für den modernen Bauern so, wie schon Goethe schrieb: „Du bist sehr eilig, meiner Treu! Du suchst die Tür und läufst vorbei.“

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